Den Oridongo hinauf (German Edition)
das ich zusammen mit Arne und Ellen eingesetzt habe. Die Scheiben sind auch schon eingesetzt, und als ich vorsichtig den Daumennagel in den Kitt drücke, produziere ich einen kleinen Halbmond. Ich beschließe, den zu lassen. Wie eine Art Zinke, von der nur ich weiß. Wenn der Kitt in einigen Tagen getrocknet ist, wird der Halbmond bleiben – und wenn nicht für die Ewigkeit, dann doch für ein gutes Stück der Zeit, die auf mich folgen wird.
Unten in den Brennnesseln liegt noch immer das alte Fenster, wie ein Kreuz in einem Rahmen. Ich glaube nicht, dass ich solche Assoziationen haben würde, wenn die Situation eine andere wäre. Jetzt sehe ich ein Kreuz vor mir, das irgendwo auf der Insel in den Boden getrieben worden ist, drüben auf dem Friedhof in Laugen: eine Art vorläufiges Kreuz, wie man es aufstellt, während man auf den Grabstein wartet. Was für eine Vorstellung. An dem Tag zu sterben, an dem du den Fuß auf neuen Boden setzt, am ersten Tag in deinem neuen Leben. Als wäre ich in Wind und Regen am Strand umgefallen. Meine Ankunft war anders. Ich bin unangemeldet gekommen. Hier stehe ich nun und versuche mir vorzustellen, wie Berit es aufgenommen hätte, wenn sich das Gerücht von dem Toten verbreitet hätte, der am Strand gefunden worden war. Genauer gesagt, auf dem Weg. Ein kahlköpfiger Mann, den hier oben niemand je gesehen hat, ein vollständig Fremder. Nie gesehen? Ich war doch im Bus, oder etwa nicht? Hat der Busfahrer nicht jemanden abgewiesen? Was einen anderen veranlasst hat, Bendik Haga zur Ordnung zu rufen. Wegen … und der mit dem Hut, der in stummem Protest den Bus verlassen hat.
Dann erfährt sie, wer dort unten gefunden worden ist. Der Schlaganfall. Ein Hut und ein Koffer.
In welche Verwunderung ich sie wohl versetzt hätte?
Sie hätte sich für den Rest ihres Lebens darüber den Kopf zerbrochen. Der Inhalt des Koffers. Zwei Hemden und einige Unterhosen. Es wäre ihr schwergefallen zu erraten, dass ich gekommen war, um mit ihr zu leben, vielleicht unmöglich. Ich meine, was kann man einigen Hemden und etlichen sehr viel benutzten Unterhosen schon ablesen? Sie waren zwar sauber gewaschen, aber dennoch?
Und ich denke an Horst van der Klerk, der sein Reihenhaus unten auf dem europäischen Kontinent abschließt und den Schlüssel den Nachbarn bringt, die ihn dem neuen Besitzer aushändigen sollen. Der sich dann ins Auto setzt, das seine Familie und das äußerst spärliche Umzugsgepäck enthält, und Gas gibt in Richtung Zukunft … die also nicht existiert. Und Tom …
Unten auf der Hauptstraße biegt ein Wagen ab und fährt den Hang zu dem alten Schulhaus hoch, in dem ich mich befinde.
Ich zucke zusammen, und weiß nicht, warum. Später wird das das Schlimmste sein. Dass ich nicht begreife, warum der Anblick dieses Autos mir Angst macht, mich aus dem Gleichgewicht wirft. Aber ich rede mir ein, dass ich gerade jetzt nicht hier sein dürfte, dass das falsch ist, weil … weshalb?
Plötzlich hämmert mir das Herz bis in den Hals, wie man sagt. Schwere Schläge, es sind die Pulsadern gleich unter dem Kiefer, die arbeiten, die Blut in meinen Kopf pumpen. Ich merke, dass ich rot werde. Und ich begreife nichts. Kann ich nicht einfach die Treppe hinuntergehen, hinaus auf den Hofplatz, und Hallo sagen?
Nein. Genau das kann ich nicht.
Also gehe ich durch das Haus und in das Zimmer, das ich in meinen Fantasien und Vorstellungen Tom zugeteilt habe. Ich gehe in das Jungenzimmer. Hier kann man am Fenster stehen und auf den Hofplatz hinabschauen. Auf den Platz zwischen dem Schulhaus und der alten Scheune. Auf die Eiche, die in Herbstfarben strahlt, sogar jetzt, wo die Sonne fehlt. Gelb. Braun. Rötlich.
Ich kenne das Auto nicht. Es ist ein neuer Volvo von irgendeiner Art, aber ich kenne es nicht. Niemand steigt aus. Eine oder zwei Minuten vergehen, aber niemand steigt aus. Ein dunkelgrüner Volvo.
Und ein Moped, Magne, das ein Stück weiter oben abgestellt ist. Von dem alle wissen, dass es jetzt von Ulf Vågsvik benutzt wird.
Und die Tür unten, die offen steht. Unverschlossen.
Zugleich ist es so, als ob ich absolut nicht hier wäre. Das empfinde ich sehr stark. Dass ich nicht hier sein darf.
Es sind Pastor Gunnar Larsen, seine namenlose Frau und Evelyn van der Klerk. Und die Kleine. Sie haben im Auto gesessen und miteinander geredet, aber jetzt stehen sie auf dem Hofplatz. Der Wind in ihren Haaren, die Hände, die hochjagen und Ordnung schaffen. Glatt streichen. Ich frage mich: Warum machen
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