Den Oridongo hinauf (German Edition)
keine andere Erklärung finden.«
Und dann ist es plötzlich wichtig für mich, dass sie noch nicht wieder gehen. Dass sie hier stehen bleiben und noch ein bisschen mit mir reden. Gedanken und Theorien tauschen. Jeder von uns hat nach einem Jungen gesucht. Jetzt stehen wir hier und sind gemeinsam aufgebracht und ein wenig niedergeschlagen. Erwachsene Männer im Wald. Im Grunde gefällt es mir sehr, dass der Jüngste von uns schweigt. Es tut ihm bestimmt gut, sich die Rede von Erwachsenen anzuhören. So denke ich.
Weil ich mich ein langes Leben nach dem ebenbürtigen Gespräch gesehnt habe.
»Und Berit?«
Er zieht eine alte Stummelpfeife hervor und fängt an, sie mit Tabak aus einem Lederbeutel zu stopfen.
Berit. Aber habe ich nicht gerade erst gesagt, dass sie zu Hause ist und schläft? Und sagt er ihren Namen überdies nicht auf eine Weise, »Berit«, die ein wenig, wie soll ich sagen … vertraulich wirkt? Als ob sie etwas miteinander gehabt hätten?
Da siehst du’s. Was du dir selbst antust. Wenn du dieses Gift einnimmst. Dann wirst du unruhig. Dann wirst du ängstlich. Denn diese Bilder wären kein Teil von dir, wenn du sie nicht selbst und überaus freiwillig auf deine Gehirnrinde heruntergeladen hättest.
Aber ich sage nun Folgendes, Magne: Wenn das passiert ist, was sie ja auf Frauenweise abstreitet, dann war es natürlich nicht wie in einem zynischen Film, sondern eher in Form einer zärtlichen Umarmung, ein Trost in der Leere nach deinem jähen und sinnlosen Fortgang, es gefällt mir nicht, und wenn es sich herausstellt, dass Bendik Haga damit zu tun hatte, werde ich diese Vorstellung hassen, aber ich habe beschlossen, dass es so sein soll, so soll es aussehen. Ein tröstender Körper in der Dunkelheit. Zwei Hände, die ihr die Trauer fortstreicheln, irgendwo zwischen deinem Fortgang und meinem Eintreten.
Wenn hier nur nicht die Rede von Bendik Haga ist.
Dann geht alles total schief.
Doch, danke. Berit geht es jetzt viel besser. Ich sage das ganz bewusst in einem Tonfall, der es nicht wirken lässt, dass ich meine, es gehe ihr jetzt so viel besser, weil ich auf die Insel gekommen bin, da weitergemacht habe, wo Magne losgelassen hat, sozusagen. Aber es geht ihr ganz einfach besser. Viel besser. Wir nehmen es ernst mit dem täglichen Training.
Woher er sie kennt?
Sie sind zusammen zur Schule gegangen.
Im Holländerhaus.
»Ich war eben erst da unten. Es sieht gut aus. Damit können wir uns sehen lassen.«
»Ich kann leider nicht behaupten, dass ich zu den aktivsten gehört habe«, sagt Ove Mellberg.
»Weißt du was? Manchmal waren wir sogar zu viele da unten. Wir sind uns gegenseitig im Weg gestanden.«
»Aber jetzt? Das große Haus?«
»Das müssen sie selbst entscheiden. Aber ich gehe davon aus, dass sie nicht vorhaben, sich auf Dauer im Kellerraum von Gunnar Pfaff niederzulassen.«
»Na gut. Wir werden ja sehen.«
Plötzlich fängt der Junge an zu kichern. Gunnar Pfaff. Das hat er noch nie gehört.
Oder gibt es einen anderen Grund?
Die ganze Zeit, in der wir miteinander reden, hat diese Frau wartend am Waldrand gestanden.
Aber jetzt ist sie verschwunden.
Doch als ich das erwähne, sage, dass sie sicher nach Hause wollte, schauen sie mich nur verwundert an.
Teil II
13
An den folgenden Tagen – es werden fünf, wie sich herausstellt – scheint die Insel sich vom Boden loszureißen und aufs Meer hinauszutreiben. Wir scheinen uns vom Rest der Welt loszureißen. Ein dicker, kalter Nebel senkt sich, er legt sich über Wald und Gebirge, über Haus und Ebbesteine, nur ab und zu, für kurze Momente, reißt der Wind die graue Wand in Stücke und Fetzen und lässt gelbe Finger aus Sonnenlicht auf Menschen und Geschehnisse zeigen.
Wir suchen nach Tom.
Aber die Zeit muss auch ihren Gang gehen, wie der Alltag es verlangt. Das Brot muss gebacken werden, der Fisch aus der Tiefe heraufgeholt.
Wir suchen jetzt alle nach einem Leichnam.
Aber nur sporadisch und ohne Plan. Natürlich gibt es einen Plan, aber der liegt in einer Schublade im Lensmannsbüro. Soldaten und Heimwehrleute sind nach Hause geschickt worden. Es bringt alles nichts, solange die Sichtweite drei, vier Meter oder weniger beträgt.
Und es ist ja auch so, dass die Gemeinde in Gang gehalten werden muss.
Die Fischer, die sich am besten mit den Strömungsverhältnissen auskennen, gehen auf den Inseln draußen an Land und suchen dort die Strände ab.
Wir anderen nehmen uns unseren Teil des Strandes auf Vaksøy vor.
Abgesehen
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