Den Oridongo hinauf (German Edition)
Vorstellungen deine großen Arbeitshände mitnehmen, und dann werde ich hochfahren und loslegen, sowie es hell wird.
Tom? Schläfst du, oder liegst du wach und schaust in die Nacht hinaus? Welche Bilder habe ich gestern in dir gesät? Einige jedenfalls, möchte ich glauben, denn ich war immer schon ein begabter Erzähler. Ich kann Bilder in den Sinn anderer beschwören. Ab und zu, und für manchen war das fast zu viel. Es ist vorgekommen, dass ich Bilder gemalt habe, die nicht zu der Wirklichkeit passten, in die ich sie platziert hatte.
Aber mit dem Markt unten im Hafen von St. Paul ist das anders. Da tost das Leben, das kann ich dir sagen. Und Düfte und Geräusche und allerlei Gestank. Hast du dir überlegt, ob Oberst Gambada ein Freund ist, oder vielleicht eher ein Feind? Später werde ich dich fragen, ob du dir vorstellen kannst, dass einige von denen, denen wir begegnen, möglicherweise beide Rollen gleichzeitig spielen. Aber wenn wir hier stehen und einander an den Händen halten, brauchen wir nicht daran zu denken. Wir haben das Schiff unten auf dem Fluss tuten hören, bald wird es hinter den Sandbänken mit den mächtigen Huyanibäumen auftauchen. Ich werde dir zeigen, wie es aus dem Dschungel herausfährt und dann voll auf uns zuhält. Du wirst hören, wie das Stimmengewirr um uns herum lauter und zu einem aufgeregten und erwartungsvollen Geschnatter wird, du wirst sehen, wie die Eingeborenenjungen ins Wasser springen und losschwimmen. Wie Kanus und Flachkähne mit Waren beladen und in den Fluss hinausgeschoben werden. Frisches Obst. Bier- und Limonadedosen. Stoffe und fertige Kleidungsstücke. Und du wirst die Trommeln hören. Den Tanz den roten Staub aufwirbeln sehen, sehen, wie er sich wie ein dünner Film über unsere schweißnassen Unterarme legt. Du bist ein feiner Junge, Tom! Hab keine Angst davor, was dich umgibt oder was auf dich wartet. Du wirst die ganze Zeit mit mir zusammen sein. Es wird nur uns beide geben.
Um halb sechs sitze ich am Küchentisch und frühstücke. Die ersten Autos tauchen auf der Straße auf, es sind Pendler auf dem Weg nach Laugen und zur Fähre. Ich habe guten Appetit. Ich fühle mich wach und klar, auch nach diesen langen schlaflosen Stunden. Wenn ich später am Vormittag müde werde, kann ich auf einem der Betten im Holländerhaus ein Nickerchen machen. Das ist kein Problem.
Als die Dämmerung kommt, fahre ich mit dem Dreirad los.
Es ist ganz still, als ich die Tür aufschließe. Kaum Wind. Es ist so schön geworden. Hier haben viele ihr Bestes gegeben. Eli Reine und Ellen haben kürzlich noch gemalt. Schwere, ein wenig altmodische Farben. Flaschengrün im Gang. Ein rotes Wohnzimmer. Küche in Bauernblau und Gelbweiß. Alles nach Wunsch der Klerke. Als ich die Treppe hochgehe, sehe ich die alte Zeitungsseite, die wir in der Wand gefunden haben, in Glas und Rahmen über dem Absatz hängen.
Oben haben sie gerade mit der Grundierung begonnen. Ich kann einfach loslegen. Ich bin nicht geschickt, war nie ein Heimwerker, aber hier kann man kaum etwas falsch machen.
Um acht kommen Arne und Ellen Svendsen zusammen mit zwei jungen Burschen, sie kommen von Binnøya und sollen die Heizung unten im Keller reparieren. Später am Vormittag stellen sich immer mehr Leute ein, und um zwölf Uhr sitzen wir zu zehnt um den Mittagstisch. Es herrscht eine gute Stimmung. Ich bin zusammen mit neun anderen guter Stimmung. Wir essen Fleischsuppe mit Knäckebrot, wir lachen und werden lauter. Heute werden wir fertig. Das steht fest. Der Elektriker ist unterwegs, er wird eine letzte Runde durch die Küche drehen. Wenn er fertig ist, werden sie kochen können. Dann muss oben nur noch ein wenig gemalt werden. Das will Evelyn selbst übernehmen, teilt Ellen uns mit. Sie will das zusammen mit Tom machen. Wir anderen finden das eine gute Idee.
Aber wo stecken sie?
»Sie kommen um zwei«, sagt Ellen. »Zusammen mit Gunnar Pfaff. Sie wollen Bettwäsche kaufen.«
»Ja, ja«, sagt Ove Mellberg. »Es muss ja irgendwie gehen. Das hier ist jedenfalls ein gutes Haus. Schön für die Kinder, um aufzuwachsen. Und was ein Mannsbild angeht … sie ist doch jung.«
Ich sehe, Ellen findet, das mit dem Mannsbild hätte Ove sich sparen können. Auch wenn sie nichts sagt. Ich bemerke solche Dinge. Ein winziges Funkeln im Blick. Ein Zug im einen Mundwinkel, der nur für den Bruchteil einer Sekunde zu sehen ist.
»Sie wäre nicht die erste junge Witwe hier draußen«, sagt Arne, der nicht dasselbe gesehen hat wie
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