Den Oridongo hinauf (German Edition)
Ich gehe. Auch er geht. Über die Weiden auf Strand und Meer zu. Ab und zu sehe ich ihn ganz, ab und zu nur den blonden Schopf. In eine Senke, aus einer Senke, über Hügel und Kuppen. Er dreht sich nicht um. Ich rufe nicht. Ich habe ganz stark das Gefühl, dass er weiß, dass ich komme.
Er überquert die Straße und geht zum Strand hinunter. Jetzt sehe ich, dass er noch immer den Hammer in der Hand hält. Den großen Tischlerhammer in der kleinen Hand. Als er das Wasser erreicht hat, bleibt er stehen. Mit dem Rücken zu mir. Ich setze mich auf einen Stein und lege einen Priem ein.
Es ist ein schönes Bild. Es könnte zum Beispiel »Der kleine Knabe und das Meer« heißen. Der kleine Wicht unter dem gewaltigen blauen Himmelsgewölbe. Wie er auf die funkelnde Wasseroberfläche hinausstarrt. Auf die alte Chaussee nach Amerika. Mit einem Hammer in der Hand. Er hat nicht nur die Katze gesehen, er hat auch ein Werkzeug aufgehoben. Er hat, so verquer das wirken mag, mit Absicht gehandelt.
Aber er kommt nicht. Er dreht sich nicht um.
Nach einer Viertelstunde gehe ich zu ihm nach unten und nehme seine Hand in meine. Seine linke Hand. Die ohne Hammer.
Dann gehen wir am Strand entlang.
Und als das weiße Schiff aus dem Dschungel hervorfährt, Tom, als es zwischen den Huyanibäumen auf den Sandbänken auftaucht, stehen wir am Kai und sehen, wie die Eingeborenen ihm in ihren Kanus entgegenfahren, ihren Einbäumen, voller bunter Stoffe und Früchte, voller Getränke, frischem Fisch und lebenden Hühnern, und oben auf dem obersten Deck stehen die Passagiere dicht an dicht, Kopf an Kopf, und beugen sich über die Reling, eifrig schauen sie auf die Menschenmenge unten auf dem Fluss und hier an Land, denn hinter ihnen liegt eine lange Reise, die Küste entlang, die einsame Küste dieses Landes entlang, die Wüstenküste, Einzelne bereisen diese Küste seit Jahren, jetzt sind wir an der Reihe, wie wir hier unterhalb der Festung St. Paul warten, hier stehen wir mit unseren Aufpassern, nach den langen Gesprächen mit Jesus Maria Gambada, jetzt sind wir diejenigen, die an Bord gehen und weiter den Oridongo hochfahren, wie Oberst Gambada es angeordnet hat, denn jetzt muss sich alles zusammenfügen, damit unser Leben einen neuen Sinn erhält.
Und während wir hier unterwegs sind, ein Junge und ein Mann, an diesem fast weißen Strand hoch im Norden der Welt, erzähle ich weiter von Gerüchen und Geräuschen, die uns begegnen, wenn wir uns bewegen, wir werden von unseren treuen Adjutanten ins Schiffsinnere geleitet, diesen stummen strengen Männern, die uns anderen stummen strengen Männern überlassen, abweisenden, misstrauischen Männern, sie wirken wie ein ganz eigener Menschenschlag, aber das kann dir egal sein, Tom, sie sind nicht schlecht, in ihnen steckt eigentlich nichts Böses, es ist nur, dass sie auf einem Schiff arbeiten, wo immer wieder Passagiere kommen und gehen, einer heute, ein anderer morgen, dabei kann keine Freundschaft entstehen, keine Vertraulichkeit, und Einzelne dieser Passagiere … hab keine Angst, Tom! Pass dich einfach dem Rhythmus des Schiffes und dem Gesang der Maschinen an.
Aber den Schiffskater darfst du nicht anfassen, denn er steht unter dem Schutz seines eigenen Gottes, des Katzengottes Malu, der in dem gelben Strom wohnt, den wir jetzt hochfahren werden, und Malu ist furchtbar in seiner Macht, aber er ist auch mild und sanft, sein Bild lebt im Kater, der von Kabine zu Kabine schleicht, der auf jedem Schoß schläft, der über alle wacht, und wenn er seinen grünen Blick auf dich richtet, dich mit seinen unergründlichen Augen festhält, dann ist es Malu selbst, der dich sieht, der dich wiegt und beurteilt, und wenn er zu dem Schluss kommt, dass er dich für deine Taten oder Gedanken bestrafen muss, dann bestraft er dich, indem er deiner kleinen Schwester die Augen auskratzt, denn so ist das Gesetz hier auf dem Strom und im Dschungel, der den Strom umschließt, die Schwachen müssen die Rechnung für die bezahlen, die stärker sind.
Aber noch hast du nichts verbrochen. Es war nur Malu, der sich mit dir bekannt machen wollte, es war Malu, der dir den Hammer gab und der dich dazu brachte, den Kater auf dem Hofplatz zu sehen, denn der Oridongo, der Fluss des Gottes, strömt durch unsere Köpfe, und das Geräusch der Trommeln stammt von uns, es ruht in unseren Herzen.
Kannst du es hören? Horch!
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Die Beerdigung verläuft so , wie das bei Beerdigungen ja oft der Fall ist, wenn ein Mensch in den
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