Den Tod im Blick- Numbers 1
überhaupt hergekommen war.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich.
»Ja, klar. Alles cool. Alles easy. Lass uns abhauen.« Er nickte noch immer und murmelte vor sich hin, während wir uns einen Weg durch die Menge bahnten. Nicht nötig zu rempeln: Die Leute bildeten diesmal eine Gasse. Die kleine Auseinandersetzung in der Ecke war niemandem entgangen und Spinne war gezeichnet.
Die Nachtluft war erschreckend kalt nach der Sauna in Baz’ Wohnung. Wir gingen schweigend die Treppe runter. Er machte keine Anstalten, mir irgendwas zu erzählen, also fragte ich ihn schließlich geradeheraus.
»Verdammte Scheiße, was läuft da?«
»Nichts.«
»Ich bin nicht doof, Spinne. Plötzlich – wie aus dem Nichts – hast du eine neue Musikanlage, du hast Geld, das du ausgibst, und du wirst auf Baz’ Party eingeladen – von einem Typen, der dich vor drei Wochen nicht mal mit dem Hintern angesehen hätte. Und dann die ganzen andern Gestalten von eben. Wo bist du da reingeraten? Hast du Probleme?«
»Nein, Jem, keine Probleme. Jedenfalls keine, mit denen ich nicht fertig werde. Sie wollten nur … sie wollten nur sichergehen, dass ich es nicht verbocke. Und das werd ich nicht. Alles ganz cool. Muss nur ein kleines Päckchen irgendwo abgeben und ein anderes zurückbringen.«
»Ein Päckchen?« Ich verlor den Mut. »O Scheiße, Spinne, wofür haben die dich geködert?«
»Ich helf nur aus, das ist alles.« Wir liefen jetzt durch die High Street. Er schaute schnell hinter mich, dann sprang er in einen Ladeneingang und gab mir ein Zeichen. Er wirkte so verdammt zwielichtig, es war zum Schreien. Wenn ich dir gesagt hätte, pick dir aus dieser ganzen Straße einen Menschen raus, der irgendwas Schlimmes vorhat, du wärst sofort auf Spinne gekommen, keine Frage.
Ich drängte mich neben ihn. Er öffnete seine Jacke und schickte seinen vertrauten Gestank in die Nachtluft.
»Was machst du da?«
Er lächelte wie jemand, der unbedingt ein Geheimnis erzählen will, fasste in seine Innentasche und zog einen Umschlag heraus. Dann beugte er sich zu mir runter und flüsterte fast: »Da sind zwanzig Riesen drin.«
Ich schaute nach vorne auf die Straße. Zum Glück war niemand in der Nähe. »Halt die Klappe«, sagte ich.
Spinne schnaubte. »Nee, echt. Zwanzig Riesen. Die vertrauen mir, Jem, siehste? Die vertrauen mir das an.«
»Und was ist, wenn dich jemand beklaut oder so, bei der ganzen Kohle, die du dabeihast?«
Selbst in der Dunkelheit sah ich sein fettes Grinsen. »Mir passiert schon nichts. Ich hab doch dich und dein Messer. Kannst ja mein Bodyguard werden.«
»Hau ab«, sagte ich. Ich fühlte mich bescheuert, weil ich es mitgebracht hatte. »Ich hab es ja nur für nachts, wenn ich auf die Straße geh. Hab mich nicht sicher gefühlt.«
»Ich sag doch gar nichts, Mann. Is cool. Hab auch eins.«
»Steck endlich den verfluchten Umschlag weg, bevor ihn noch jemand sieht, und dann lass uns von hier verschwinden.«
Er schob ihn zurück in seine Tasche und wir machten uns wieder auf. Er stolzierte jetzt wie die Katze, die die Sahne gekriegt hat. Ich wollte ihm nicht die Laune verderben, aber wenigstens, dass er nachdachte, bevor er zu tief in die Sache reinrutschte.
»Spinne, der benutzt dich. Wenn es kein Risiko gäb, würde er es doch selbst tun, was immer das ist, was du für ihn tun sollst. Du bist der, der erwischt wird. Brauchst wohl den Kick, was?«
»Nee, klappt schon alles. Ich bin vorsichtig. Ich mach das ’n paar Monate, ’n paar Jahre, dann bin ich raus hier. Mit ’n bisschen Geld in der Tasche kannste ganz schön weit kommen.«
Aber ich dachte mit einem Schaudern: Du kommst überhaupt nicht weit, mein Freund. Noch ein paar Wochen in diesem Loch und das war’s. Und es machte mich traurig, sehr traurig. Die Sache war die, zwischen Spinne und mir ging irgendwas Merkwürdiges vor. Zum ersten Mal in meinem Leben beobachtete ich nicht bloß. Ich hing mittendrin. Ich begann zu hoffen, dass seine Zahl falsch wär, dass sich das alles nur in meinem Kopf abspielte und gar nicht wahr war. Aber ich wusste, dass es anders war. Auf welche Weise auch immer, in zwei Wochen würde er sterben, und, verdammte Scheiße, ich wollte ihn beschützen. Mehr als das, ich wollte ihn retten.
KAPITEL 07
Natürlich wartete Karen schon, als ich reinkam, und ich bekam die übliche Strafpredigt zu hören. Ich ging also wieder zur Schule, aber eine Woche später gab es den großen Knall. Volles Rohr. Um ehrlich zu sein, die meisten aus
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