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Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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strahlenden kalten Wintertage werden.
    »Musst heut nicht laufen, könn’ die U-Bahn nehmen. Oder ’n Taxi, wenn du Bock hast.«
    »Wie viel hast du, Spinne?«
    »Sechzig Pfund – alles meins.« Er grinste. »Muss aber heut Abend wieder zurück sein. Paar Geschäfte durchziehn. Aber der Tag, der gehört uns«, sagte er, breitete die Arme aus und wirbelte herum. »Wo willste gern hin?«
    »Weiß nicht, Oxford Street?«
    »Okay.« Er reckte sich zu seiner vollen Größe, dann streckte er vor mir den Arm aus, als ob er den Weg zeigen wollte, und sagte mit lautester, dämlicher Feiner-Pinkel-Stimme: »Ein kleiner Einkaufsbummel gefällig, Madame? Ist es das, wonach Ihnen der Sinn steht?«
    Die Leute drehten sich um.
    »Halt die Klappe, Spinne.« Er wirkte ein bisschen geknickt. »Jetzt komm schon, du Blödmann, klingt super. Also lass uns gehen.« Ich rannte zur U-Bahn, plötzlich war er neben mir und überholte mich mit seinen langen Beinen auf unserem Weg zur Fahrkartenhalle.
    »Das ist ’ne Scheißabzocke, Mann, ehrlich. Sechzehn Pfund, um da raufzufahrn.« Er stieß den Arm in Richtung London Eye, dem Riesenrad. Sein Blut pulsierte vor Wut, bis in die Fingerspitzen. Wir hatten den größten Teil unseres Geldes auf der Oxford Street für alberne Sonnenbrillen und Hüte und für Big Macs ausgegeben. Mit sechzig Pfund kommst du in London nicht weit.
    Die Leute begannen ihn anzustarren. Ich glaube, wenn du Spinne nicht kanntest, war er echt was zum Anstarren: ein eins fünfundneunzig großer schwarzer Typ, der auf der Straße rumprollte. Die Schlange gaffte, als ob er der Komiker wär – einfach so, zu ihrer Belustigung. Ich dachte: Gleich werfen sie ihm noch Münzen zu . Manche stießen sich an, tuschelten über ihn und lachten. Respektlos, so wie Jordan es bei mir getan hatte.
    »Hör auf«, sagte ich und versuchte die Situation zu entschärfen. »Ich will sowieso nicht auf das bekackte Ding. Lass uns woanders hingehen.«
    Aber er kriegte sich jetzt nicht mehr ein. »Alles in dieser Stadt ist für die Scheißtouristen. Und was ist mit uns? Was ist mit uns normalen Leuten, die nicht sechzehn Pfund für so ’n Scheiß-Kirmes-Riesenrad haben?« Einige fingen an, sich nervös umzuschauen, drängten ein Stück von ihm weg und tauschten beunruhigte Blicke. Ich freute mich jetzt über ihre Reaktion. Spinne rüttelte sie ein bisschen wach.
    Mein Blick fuhr die Schlange entlang – ja, es wurde ihnen ziemlich unangenehm. Ein japanisches Touristenpaar, das passende Anoraks, Wollmützen und Handschuhe trug, schaute in unsere Richtung. In dem Sekundenbruchteil, den die beiden brauchten, um her- und wieder wegzusehen, checkte ich ihre Zahlen und zuckte, wie von einem elektrischen Schlag. Sie waren identisch. Irre, dachte ich, übereinstimmende Todesdaten – was wohl der Grund dafür war? Doch dann wurde mir die Zahl selbst bewusst. 08122010. Das war ja heute. Verdammte Scheiße, was …?
    Ich schaute noch einmal rüber, aber Spinnes Verrücktheiten wurden ihnen zu viel: Sie hatten uns den Rücken gekehrt, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass wir dann gehen würden. Ich muss mich vertan haben, dachte ich. Ich musste es überprüfen. Also ging ich auf die Schlange zu, überlegte, auf die andere Seite zu gehen und von dort noch mal einen Blick auf die beiden zu werfen. Spinne merkte gar nicht, dass ich weg war – ich hörte ihn weiter vor sich hin fluchen, umgeben von seiner Wut.
    Die Schlange stand ziemlich dicht. Ich ging auf eine kleine Lücke zu zwischen einem jungen Typen mit Rucksack und Jogginganzug und einer alten Frau in dickem Tweedmantel, die eine Basttasche trug.
    »’tschuldigung«, sagte ich, als ich mich der alten Frau näherte. Ich hätte gar nichts sagen müssen, sie wich von allein zurück. »Danke«, sagte ich, als ich mich durchzwängte. Sie lächelte schwach und drückte ihre Tasche gegen den Körper. Ich erkannte die Angst in ihrem Gesicht, als sich kurz unsere Blicke begegneten. Dabei sah ich auch ihre Zahl und blieb wie angewurzelt stehen. Ich starrte die Frau an, ich konnte nicht anders. 08122010.
    Es war unwirklich. Was bedeutete das? Schweiß drang stechend durch meine Haut, überall, am ganzen Körper. Ich stand wie angewurzelt und starrte sie an.
    Die alte Frau holte tief Luft. Ihre Augen waren weit aufgerissen. »Ich hab nicht viel Geld«, sagte sie leise und ihre Stimme bebte leicht. Ihre Hände umklammerten die Tasche so fest, dass die Knöchel ganz weiß waren.
    »Was ist?«, fragte

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