Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
Vom Netzwerk:
verändern. Aber das ging ja nicht, oder doch? Ich könnte nie jemandem seine Zahl sagen, außer Arschlöchern wie McNulty, und der war wahrscheinlich viel zu blöde, zu kapieren, was sie bedeutete. Ich schluckte schwer und versuchte meine Gefühle wieder in den Griff zu kriegen, das Thema zu wechseln und die Leere mit Worten zu füllen.
    »Wie ist das eigentlich gekommen, dass du bei deiner Oma wohnst? Stört es dich, wenn ich das frage?«
    »Nee, Mann. Ist ja kein großes Geheimnis. Meine Ma hat sich mit ’nem Typen verpisst, als ich noch ’n Baby war. Kann mich nicht mal an sie erinnern. Ich glaub nicht, dass es mir je an was gefehlt hat – ich hab ja immer Oma gehabt.«
    »Sie ist cool, deine Oma.«
    »Ja. ’n verrücktes altes Aas.«
    »Findst du nicht, du solltest sie mal anrufen? Ihr sagen, dass alles okay ist?«
    »Nee, ist zu gefährlich. Die können die Gespräche orten, verstehste? Oma kommt schon zurecht. Die ist cool.«
    Das Bild, wie sie am Straßenrand stand, bevor wir gingen – war das wirklich erst gestern Nachmittag gewesen? –, zuckte mir durch den Kopf.
    »Hab gehört, wie du Oma von deiner Ma erzählt hast«, sagte Spinne leise. »Tut mir echt leid.«
    »Kannst du ja nichts für.«
    »Ich weiß, aber …«
    »Geht mir wahrscheinlich ohne sie besser. Sie war … schwierig.« Ich schwieg. Ich war eine Lügnerin und ich wusste es. Was immer ich für ein Leben bei ihr gehabt hätte, ich hätte lieber irgendeine Art von Zuhause gehabt als das Zigeunerleben, das ich seit ihrem Tod führte. Ein Kind, das zu niemandem gehört.
    Wir redeten stundenlang. Unsere Stimmen klangen dünn im Freien, aber solange wir sprachen, vertrieben sie die unbekannten Geister und Monster, die da draußen lauerten, in der endlosen Dunkelheit, die sich in alle Richtungen erstreckte. Die Lücken zwischen unseren Sätzen wurden größer, als wir anfingen, zwischendurch wegzusacken und wieder aufzuwachen.
    Ich glaub, ich war ziemlich weit weg, als mich plötzlich ein Schrei aus dem Schlaf riss. Ich öffnete die Augen, aber es machte kaum einen Unterschied: auf oder zu, es blieb pechschwarz.
    »Hast du das gehört?«, flüsterte ich.
    »Ich müsste ja taub sein, wenn nicht.«
    Was immer es war, es verstummte wieder, ein schrilles, schreiendes Geräusch, das die Nacht zerriss, so laut, dass ich das Gefühl hatte, es wär überall um uns und über uns und in uns. Ich war hellwach, zu verängstigt, mich zu bewegen. Spinne rückte näher, ich hörte, wie er durch die Blätter und alles mögliche andere auf dem Boden robbte, und roch, dass er näher kam.
    »Was, glaubst du, ist das?«, fragte er mit leiser Stimme, ganz nah an meinem Ohr.
    »Weiß nicht.«
    »Glaubst du an Hexen?«
    »Halt die Klappe!« Ja, in diesem Moment glaubte ich an Hexen. Und an Geister und Werwölfe und alles andere, was nachts Geräusche macht.
    Und wieder so ein markerschütternder Schrei, diesmal gefolgt von einem mehrmaligen lauten Heulen.
    »Das ist ’ne Eule, Jem. Obwohl ich noch nie eine gehört hab … Ganz schön laute Kerle, was? Liegt hier irgendwo ’n Stein oder so?«
    Er setzte sich auf und tastete neben sich rum, dann stand er auf und warf irgendwas hoch in die Bäume über uns. Ich hörte es gegen die Zweige und Äste schlagen. Ein paar Sekunden später ging das Schreien wieder los, wurde aber immer schwächer, weil die Eule wegflog, um sich einen sichereren Platz zu suchen.
    »Du bist ja echt der geborene Bauer, was? Wirfst hier Steine nach Eulen.«
    »Kannste laut sagen, die schießen ständig oder hetzen ihre Hunde auf was, um es in Stücke zu reißen. Ich glaub, das ist das Richtige für mich.«
    Die Eule protestierte noch immer, doch inzwischen weit weg. Ihr Ruf unterstrich, wie allein wir in diesem dunklen Nichts waren. Ich spürte, wie mich die Kälte packte. Vielleicht hielten wir ja diese eine Nacht draußen durch, aber morgen mussten wir unbedingt irgendwas anderes finden.
    Ich war inzwischen hellwach, an Schlaf war nicht zu denken. Daliegen, lauschen und möglichst nicht zu viel nachdenken war das Einzige, was mir blieb.
    Ich dachte, dass Spinne schlief, aber nach einer Weile spürte ich, wie sich seine Hand langsam über meine Decke bewegte, bis sie meine Hand gefunden hatte. Und dann lagen wir da, Hand in Hand, und warteten drauf, dass wieder Licht in den Himmel kroch. Und wir waren beide wach, als wir ein anderes Geräusch durch die schwarze Nacht dröhnen hörten – es war ein Hubschrauber.

KAPITEL 17
    »Hörst du

Weitere Kostenlose Bücher