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Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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er sagte: »Ist alles okay. Jetzt mach schon oder ich komm und hol dich.«
    Ich sank auf meine Hände und Knie, spähte in das Loch und kroch schließlich rein. Es tat weh, wenn ich die Hand flach auf den Boden legte, deshalb stützte ich mich nur mit den Fingerspitzen der rechten Hand ab und schob mich so gut ich konnte vorwärts. Es war ziemlich dunkel im Innern, aber nicht völlig schwarz, und der Tunnel war auch nicht sonderlich lang. Nach ungefähr fünf oder sechs Metern öffnete er sich zu einem kleinen Raum oder besser gesagt zu einer Höhle. Es war gerade genug Platz, dass Spinne und ich nebeneinandersitzen konnten. Ich konnte ihn nicht gut sehen, dafür aber riechen. Die Anstrengung, die Ballen rumzuwuchten, dazu der stundenlange Marsch und die Tatsache, dass er sich Gott weiß wie lange nicht mehr gewaschen hatte – abgesehen von dem unfreiwilligen Bad in einem Fluss voller Schlamm –, auf jeden Fall nahm sein normaler Müffelgeruch olympiareife Dimensionen an.
    »Na, was sagste? Cool, was? Wir müssen nur noch einen Ballen vor den Eingang ziehn, dann sitzen wir hier echt super. Mach ich gleich mal, damit du siehst, wie einfach es ist.«
    Der Gedanke, mit ihm da drinnen eingeschlossen zu sein, war zu viel für mich. Ich taumelte wieder auf den Tunnel zu. »Nein, ist okay. Das können wir später noch machen, wenn’s nötig ist.« Als ich aus dem Tunnel rauskam, holte ich tief Luft. Selbst der Gestank der Kuhscheiße war besser als Spinnes Ausdünstung.
    Spinne kam nach und sah aus wie ein geprügelter Hund. Ich wollte ja nicht seine Begeisterung bremsen, aber meine Hand tat weh und ich war müde und hatte Angst. Ich glaub, ich sagte einfach das, was mir in den Sinn kam, ohne vorher drüber nachzudenken.
    »Spinne, wenn sie uns hier finden, dann sind wir erledigt, stimmt’s?«
    Sofort veränderte sich sein Gesicht, so als ob jemand das Licht ausgeschaltet hätte. Und ich hasste mich dafür, ihm das anzutun.
    »Ja, wenn sie uns hier finden, sitzen wir in der Falle. Dann sind wir wie die Ratten im Fass.« Er setzte sich neben mich auf einen Strohballen. Er beugte sich vor, stützte die Arme auf die Schenkel und hielt den Kopf gesenkt. Seine Stimme war leise, doch heftig. »Ich werd nicht still und leise mitgehen, Jem. Ich werd gegen sie kämpfen. Genau das.« Ich wusste, er hatte ein Messer dabei. Und so wie er jetzt redete, war ich mir ziemlich sicher, er würde es auch gebrauchen.
    Ich spürte, wie mir die Angst in die Gliedern schoss. »Das ist es nicht wert, Spinne. Wenn sie es wirklich schaffen und wir in der Falle sitzen, dann sollten wir aufgeben. Was haben die denn überhaupt gegen uns in der Hand? Wir haben doch nichts getan am London Eye. Das können sie uns nicht anhängen. Du hast Geld geklaut, aber ich glaub nicht, dass das jemand angezeigt hat. Wir haben ein paar Autos geknackt. Üble Sache. Aber wenn du jetzt durchdrehst – jemanden mit dem Messer verletzt –, das ist was anderes. Dann machen sie dich für alles verantwortlich.«
    »Jem, was immer passiert, einlochen werden sie mich sowieso. Du kommst da vielleicht heil raus – du hast ja auch keine Autos geklaut. Es läuft zwar noch die Sache mit dem Messer, aber bei weißen kleinen Mädchen sind sie nachsichtig. Außerdem hast du Karen und die Fürsorge auf deiner Seite und bist nicht vorbestraft. Aber bei mir, da schauen sie genau hin – ich pass voll in ihr Raster typischer Krimineller. Die fackeln nicht lang, die buchten mich eben mal schnell für ’n paar Monate oder auch ’n Jahr ein. Durchs System gerutscht.« Er rieb sich mit den Händen die Kopfhaut. »Ich kann das nicht, Jem. Ich will nicht eingelocht werden. Ich will nicht noch so ’n Jugendlicher sein, der über Bord geht.« Er stieß die Hand neben sich ins Stroh. Ich hatte gehört, dass er schon mal auf jemanden losgegangen war, wusste, dass er sich in Rage bringen konnte, aber als ich ihn jetzt ansah, war sein Gesicht total verzerrt, als würde er gleich losheulen. Er war wütend, ja, aber er hatte auch Angst. »Ich kann das nicht, Jem. Lieber kämpf ich und geh dabei drauf.«
    »Sag das nicht. Sag das nie.« Und die ganze Zeit dachte ich: Wird es deshalb passieren? Ich legte ihm meine Hand auf den Rücken und bewegte sie auf und ab, wie er es vorher bei mir gemacht hatte. Er war so mager, ich spürte jeden Knochen seiner knubbeligen Wirbelsäule durch die Kleidung.
    Er schniefte schwer und wischte sich mit dem Ärmel über die Nase. Dann setzte er sich auf und

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