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Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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Spinne überall um sich herum verbreitete –, auch wenn ich mir die ganze Zeit bewusst war, dass seine Oma in der Küche hockte wie so ein Vogel, Habicht oder Bussard oder was immer. Geier. Der uns belauschte. Und wartete.
    »Ich geh jetzt mal besser«, sagte ich etwas später.
    Spinne fuhr seine Glieder aus und erhob sich aus seinem Sessel. »Ich komm mit.«
    »Nee, schon okay. Ist ja nicht weit.«
    »Könnt dich auch fahrn, wenn ich ’ne Karre hätt.« Er schwieg. »Könnt mir eine besorgen.«
    Ich sah ihn an. Er meinte es todernst, versuchte mir wahrscheinlich zu imponieren. Ich ging zur Tür. Konnte gut drauf verzichten, mich in so was reinziehen zu lassen. So ein Theater brauchte ich echt nicht. Ich hörte, wie seine Oma in der Küche herumschlurfte, die Tür der Mikrowelle zuschlug und die Tasten piepsten, als sie die Zeituhr einstellte.
    »Dein Abendbrot ist gleich fertig«, sagte ich. »Ich komm mal wieder vorbei. Bis bald!«, rief ich von der Haustür aus seiner Oma zu, weil ich nicht noch mal reingehen und mit ihr reden wollte. Ihr Gesicht erschien im Eingang zur Küche. Blitze zuckten zwischen uns, als ihr Blick wieder meinen traf. Was war das mit dieser Frau?
    »Tschüs«, sagte sie. »Wir sehen uns noch.« Und das meinte sie so.

KAPITEL 04
    »Ich möchte, dass ihr über den schönsten Tag schreibt, den ihr je erlebt habt. Macht euch nicht zu viele Gedanken um Rechtschreibung und Interpunktion. Erzählt einfach drauflos. Schreibt, wie es euch in den Sinn kommt.«
    Noch so ein Beispiel für Nullers Grausamkeit, uns über unser trauriges und bedeutungsloses Leben nachdenken zu lassen. Was erwartete er? Der Tag, an dem Paps mir das neue Pony kaufte? Unser Urlaub auf den Bahamas? Ich, ich schaute nie zurück. Wozu? Vorbei war vorbei, an der Vergangenheit kannst du nichts mehr ändern. Unmöglich, einen Tag rauszupicken und zu sagen, der war der schönste. Leichter wär es, den schlimmsten Tag zu nehmen, da gab es verschiedene Optionen – nicht dass ich Nuller davon erzählen würde. Geht ihn nichts an. Ich überlegte, ob ich einfach nur dasitzen und mich weigern konnte, etwas zu schreiben. Es gab nichts, was er dagegen hätte tun können. Doch irgendwas machte in meinem Kopf schnipp und ich dachte: Nein, ich werde ihm erzählen, wie es ist, wenn er es unbedingt wissen will. Also schnappte ich mir meinen Stift und fing an zu schreiben.
    »Die Zeit ist um!« Protestschreie. »Hört bitte auf zu schreiben. Es spielt keine Rolle, ob ihr fertig geworden seid. Und ich will auch nicht, dass ihr die Texte abgebt, sondern ihr sollt sie vorlesen.«
    Totale Rebellion – Gekreisch von wegen »niemals« und »nur über meine Leiche«. Mir wurde ganz kalt, ich wusste, ich hatte einen Fehler gemacht.
    »Ich möchte, dass ihr aufsteht und aussprecht, was ihr geschrieben habt. Niemand wird euch auslachen. Ihr sitzt alle im selben Boot. Versucht’s einfach.« Die Buhrufe legten sich.
    »Amber, du fängst an. Komm nach vorn. Nein? Na gut, dann bleib eben stehen, wo du bist, und lies mit klarer Stimme, damit dich alle hören können.«
    Und so ging er die Klasse durch. Ferien, Geburtstage, Ausflüge. Etwa das, was man erwarten konnte. Dann beschrieb Joel, wie sein Bruder geboren wurde, und in der Klasse breitete sich eine andere Atmosphäre aus. Plötzlich hörten alle zu, als er davon erzählte, wie er seiner Mutter zu Hause im Badezimmer half, das Baby in ein altes Handtuch zu wickeln. Einige Mädchen sagten »Oh«, als er fertig war, seine Freunde klatschten ihn ab, als er zu seinem Platz zurückging. Faire Reaktion ihm gegenüber, aber mir war ganz schlecht – der Gedanke an diese Verwundbarkeit, die Unschuld, das Wissen, dass für die kleinen Wesen das Ende bereits am ersten Tag festgeschrieben ist, er ist unerträglich. Ich hab’s nicht mit kleinen Kindern.
    Spinne war der Nächste. Er schlenderte nach vorn vor die Klasse, stand da und verlagerte sein Gewicht mal auf den einen, mal auf den andern Fuß, während er den Blick auf das Blatt vor sich richtete. Du konntest sehen, dass er überall lieber gewesen wär als da vorn. »O Mann, muss ich wirklich?«, sagte er, schlug das Blatt seitlich gegen sein Bein und reckte den Hals zurück, um zur Decke zu schauen.
    »Du musst«, sagte McNulty streng. »Na los, wir hören.« Und er hatte Recht. In der Klasse war es still, alle waren gespannt.
    »Okay.« Spinne hob das Blatt vors Gesicht, damit er uns nicht sehen musste und wir nicht ihn. »Mein schönster Tag war

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