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Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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ein Datum, Spinne?«
    »Keine Ahnung. Der Fünfundzwanzigste?«
    Der Alte hatte etwas aus dem Abfalleimer gezogen, einen halben Hamburger, noch eingepackt. Er schaute sich kurz um und guckte, ob sonst jemand hinter dem Hamburger her war, und genau in dem Moment trafen sich für Sekunden unsere Blicke. Da war sie wieder, seine Zahl: 25112010.
    Er schob sich den Hamburger unter die Achsel, verschränkte die Arme und trippelte die Straße runter. Ich machte mich auf und folgte ihm.
    »Wo gehste hin?«, rief Spinne verwirrt.
    »Hier lang.«
    Er holte mich ein. »Wozu?«
    Ich blieb stehen, behielt den Opa im Auge, der sich seinen Weg durch die Menschenmenge bahnte, und senkte die Stimme. »Ich will dem Typ da folgen, dem Alten im Pullover.«
    »Was haste vor? Wir müssen niemand beklauen, Jem. Ich hab Geld.« Er schlug sich auf die Hosentasche. »Wenn du was willst, frag einfach.«
    »Nein, ich will ihn nicht beklauen, ich will ihm nur folgen. So wie Spione«, antwortete ich schnell und versuchte ein Spiel draus zu machen.
    Sein Gesicht sagte: Du spinnst , aber er zuckte bloß die Schultern und meinte: »Okay.« Und wir gingen weiter und beschleunigten unsere Schritte, als der Opa um eine Ecke verschwand. Er war in eine Seitenstraße eingebogen, wo es nicht so viele Leute gab. Wir waren auf ungefähr zehn Meter heran, als er sich plötzlich umdrehte und uns sah. Er wusste, ich hatte ihn beobachtet, als er den Hamburger aus dem Abfalleimer fischte. Er wirkte erschrocken und gleichzeitig verschlagen, als er sich umdrehte und halb gehend, halb rennend weiterlief.
    »Wir sind aufgeflogen, Mann«, sagte Spinne. »Was willste jetzt machen?«
    Ich wollte sehen, was ihm passierte, aber natürlich wollte ich den Alten nicht erschrecken, nicht an seinem letzten Tag.
    »Lass uns ’n paar Schritte zurückbleiben. Der läuft ja wohl Richtung Park. Lass ihn erst reingehen, dann folgen wir ihm. Willste ’ne Kippe?«
    Wir zündeten uns eine an und gingen dann langsam Richtung Park. Am Ende der Straße sahen wir den Opa entlanghetzen. Er kam an die Stelle, wo die Hauptstraße ist und der Park auf der andern Seite. Er schaute unter dem Arm nach – ja, der Hamburger war noch da –, dann schaute er über die Schulter zurück. Obwohl wir ein ganzes Stück weg waren, wusste ich, dass er uns sah und nervös wurde. Ich wollte gerade zu Spinne sagen, lass uns Schluss machen, als der Opa plötzlich, noch immer rückwärts schauend, auf die Hauptstraße trat.
    Der Wagen traf ihn in voller Fahrt mit einem Rums, dass mir schlecht wurde. Der Opa wirbelte ein Stück hoch auf die Motorhaube und flog dann durch die Luft. Es sah aus wie in einem dieser Verkehrssicherheits-Spots im Fernsehen, nur dass sie da Dummys nehmen. Das hier war echt – ein echter Körper, Glieder, die wild herumfuchtelten, ein Kopf, der erst nach vorn, dann zurückschlug und schließlich am Boden lag.
    Ein paar Sekunden lang standen wir erstarrt da und versuchten es zu verdauen. Leute schrien und liefen zusammen. Spinne rannte auf sie zu. »Mann, lass uns gucken, ob er okay ist.« Ich zögerte. Ich wollte nichts mehr sehen. Selbst wenn er jetzt noch nicht tot war, würde er es bald sein, auf jeden Fall vor Mitternacht. Heute war sein Todestag. Nichts zu machen.
    Spinne war jetzt am Ende der Straße angekommen und reckte sich über den Menschenauflauf. Ich ging zu ihm. Ein Mädchen neben mir schrie in einem schrillen Ton, immer und immer weiter. Ihr Freund führte sie weg. Ich sah zwischen den Lücken hindurch auf den Körper. Ein Haufen alter, nicht zusammenpassender Kleidungsstücke mit irgendwas drin. Nicht irgendwem. Nicht mehr. Wer immer er war, er war nicht mehr da. Fort, wohin Menschen gehen, dorthin, wo meine Ma war. Im Himmel? Was meine Mutter betraf, wohl eher in der Hölle, würde ich vermuten. Oder nirgends. Einfach nur fort.
    Ich berührte Spinnes Arm. »Lass uns gehen.« Er löste sich aus der Menge und wir machten uns auf den Weg zu ihm nach Hause.
    Spinne war kleinlaut, schüttelte den Kopf. »Wir haben ihn in den Wahnsinn getrieben, Mann. Der hatte echt Schiss.«
    »Ich weiß«, sagte ich leise. Er hatte ausgesprochen, was mich verfolgte: Wir hatten es verursacht. Ich hatte ihn auf die Straße getrieben. Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte er sich in den Park gesetzt und seinen dreckigen alten Hamburger gegessen. Vielleicht hätte ihm das ja den Rest gegeben, und er wär an einem Bissen Fleisch und Brötchen erstickt. Vielleicht wär er kurz vor einem

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