Den Tod im Griffl - Numbers 3
schlichten Rock, eine Strickjacke und eine Brille mit Metallfassung. Ich bin diesem Typ schon früher begegnet, geschäftsmäßigen Wichtigtuern von der Sozialarbeiter-Sorte. Jemand wie sie hat mir mal Mia weggenommen. Genau so jemand wie sie.
»Nicht, bevor ich Adam gesehen habe«, sage ich, ihre Hand übergehend.
Sie lächelt und streicht ihren Rock glatt.
»Ich fürchte, das wird nicht möglich sein. Lass uns reden und dann sehen wir weiter, okay?«
Es wird nicht möglich sein. Wieso nicht? Weil er nie hier angekommen ist? Weil er tot ist? Oder immer noch nicht bei Bewusstsein? Was verschweigt sie mir?
»Ich werde mit niemandem sprechen, bevor ich weiß, wie es Adam geht.« Ich verschränke die Arme vor der Brust und versuche mich ein bisschen zu strecken, um größer zu wirken.
»Es geht ihm gut«, antwortet sie. »Du kannst ihn später sehen.«
»Gut? Was heißt das? Hast du ihn gesehen?«
»Nein, aber –«
»Woher willst du dann wissen, dass es ihm gut geht?«
»Sarah«, antwortet sie entschieden. »Es wurde mir gesagt. Es wurde mir gesagt, dass er aufgewacht und geistig anwesend ist. Sie machen jetzt ein paar Tests mit ihm. Also, willst du lieber hier reden oder sollen wir in den Befragungsraum gehen?«
Es geht ihm gut. Gott sei Dank. Meine Beine zittern ein bisschen. Ich will nicht, dass die Schlange es merkt, deshalb wende ich mich ab, gehe vor Mia in die Hocke und mache ein großes Bohei darum, mich um sie zu kümmern, während ich ein paarmal tief durchatme, um meine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Wir haben die Chance, die Zelle zu verlassen, uns umzuschauen. Also nehme ich Mia hoch.
»Komm, Schatz«, sage ich. »Gehen wir.«
Marion führt uns auf den Flur und dann in den Befragungsraum.
Ich habe etwas anderes erwartet. Es stehen Ledersofas da und ein Kaffeetisch, ein Tablett mit Tee und Keksen und ein paar Spielsachen für Mia. Es sind ganz normale Sachen, Zeug, wie es früher jeder hatte, aber sie wirken wie aus einem anderen Zeitalter. Plastikautos, ein Spielzeugtelefon, eine Kaufladen-Kasse – übliche Dinge, wie es sie vor der großen Katastrophe gab. Dinge, die für Mia keine Bedeutung haben. Sie schaut sie an und legt sie zur Seite. Sie nimmt eine Puppe hoch, ein Baby, das die Augen aufschlägt, wenn es aufrecht sitzt, und sie wieder schließt, wenn man es hinlegt. Mia ist fasziniert.
Auf dem Kaffeetisch liegt ein Ordner. Marion setzt sich auf eines der Sofas, zieht sich den Ordner auf die Knie und schlägt ihn auf. Was steht da drin? Geht es um mich? Oder um Adam? Ich sitze auf dem Sofa gegenüber und verschränke wieder die Arme.
»Adam und du, ihr seid ja schon eine ganze Zeit lang zusammen.«
Es ist keine Frage.
»Kann man so sagen.«
»Und ihr habt ein Kind und ein zweites ist unterwegs?« Sie versucht Mitgefühl zu zeigen, aber ich will kein Mitgefühl von ihr. »Das wird schwer für euch.«
»Wir kommen schon zurecht«, antworte ich. »Mia ist völlig unkompliziert.«
»Was glaubst du, nach wem sie kommt? Nach dir oder nach ihrem Dad?«
Das ist gefährliches Terrain, eines, auf das ich mich nicht begeben will.
Offiziell ist Adam Mias Vater. So habe ich es der Schnüfflerin von der Sozialfürsorge gesagt, die herausgefunden hatte, dass ich in dem besetzten Haus in London wohnte. Es war ein spontaner Entschluss, aber einfacher, als die Wahrheit zu sagen. Auch wenn es eine eindeutige Lüge ist, da muss man bloß mal die Augen aufmachen – Mias Haut ist nach zwei Jahren Draußenleben zwar dunkler und ihre Haare sind lockig, fast afromäßig kraus, doch sie sind blond und sie hat blaue Augen, lauter Halligan-Eigenschaften – und das ist sie ja auch. Eine Halligan durch und durch.
»Ich weiß nicht«, antworte ich. »Auf so was achte ich nicht. Sie ist einfach sie. Ihre eigene Persönlichkeit.«
»Fragt ihr euch das nie, Adam und du? Wessen Nase hat sie? Wessen Ohren?«
»Nein«, blocke ich ab. »Das fragen wir uns nicht.«
Sie muss uns durchschaut haben, da bin ich mir sicher, doch sie verfolgt die Spur nicht weiter.
»Wie sieht es mit ihren Fähigkeiten aus? Was das Sprechen betrifft, ist sie für zwei schon ziemlich weit. Und in meinen Unterlagen steht, dass du Künstlerin bist – ist das auch etwas, was du an Mia vererbt hast?«
Eine Künstlerin. Diese Seite von mir hatte ich weitgehend vergessen. Ich habe seit zwei Jahren keinen Bleistift und keinen Pinsel oder auch nur ein Stück Zeichenkohle mehr angerührt.
»Du hast doch ein Wandbild
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