Den Tod im Griffl - Numbers 3
runter.«
»Ich bin okay.« Er schüttelt die Hand weg.
»Das ist ein Befehl«, brüllt der Grauhaarige. Sie sehen sich an und es herrscht einen Augenblick Schweigen, dann macht Newsome einen Rückzieher. Wütend kneift er die Lippen zusammen, stolziert aus dem Raum und gibt seinen Assistenten ein Zeichen, ihm zu folgen, dann schließt er die Tür hinter sich. Also bin ich jetzt mit dem Grauhaarigen allein.
Er rückt seinen Stuhl ein bisschen vor und schiebt sein Gesicht dicht an meines heran.
»Ist schon in Ordnung«, sagt er.
»Was?«
»Ist in Ordnung, wenn du es rauslässt.«
Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Wenn ich mit ihm eine Diskussion anfange, verrate ich doch, dass es etwas zu diskutieren gibt.
»Ich weiß, wie das ist«, sagt er. »Wie es ist, anders zu sein. Geheimnisse für sich zu behalten. Aber manche Geheimnisse sind wie ein Krebsgeschwür, sie fressen dich innerlich auf. Deshalb ist es keine Schwäche, davon zu erzählen.«
Hab ich es jemandem erzählt? Sind die Zahlen geheim? Ich kann mich nicht erinnern. Es gibt große Lücken zwischen meiner Kindheit – meiner Mum und meiner Oma – und meinem Aufwachen hier an diesem Ort. Meine Mum und meine Oma sind beide tot, aber was ist mit dem Mädchen? Dem Mädchen, um das ich den Arm gelegt hatte, am Feuer? Ich weiß nicht, wer sie war. Oder ist.
»Ich kann dir helfen, Adam. Du willst doch bestimmt Sarah wiedersehen, oder? Sie ist hier. Ich kann dich wieder mit ihr zusammenbringen, wenn du kooperierst.«
Sarah.
Blonde Haare, blaue Augen. 25072076. Ist das Sarah?
»Hat sie richtig blaue Augen?« Die Frage platzt aus meinem Mund, ehe mein Gehirn es verhindern kann.
Der Grauhaarige runzelt einen Moment lang die Stirn, dann lehnt er sich in seinen Stuhl zurück, verschränkt die Arme und lächelt.
»Blaue Augen? Ja. Ja, das stimmt, mein Freund. Und wenn du diese blauen Augen wiedersehen willst, solltest du besser anfangen mit uns zusammenzuarbeiten. Es liegt an dir, Adam. Und, soll ich Newsome jetzt wieder reinrufen?«
SARAH
Ich bin immer noch wach, als die Zellentür aufgeht und auf einem Teewagen Frühstück hereingerollt wird. Es ist derselbe junge Soldat, der uns vom Fahrstuhl zur Zelle begleitet hat. Er sieht mich nicht an. Es gibt Tee, Milch und Toast. Ich habe zwar keinen Hunger, aber mir ist klar, dass wir etwas essen sollten.
»Ich hab heute Nacht … was gehört, Stimmen im Flur«, sage ich.
Er blickt über die Schulter zu der offenen Tür, dann schließt er sie.
»Draußen steht ein Wärter, zu deiner eigenen Sicherheit. Vielleicht war gerade Schichtwechsel.«
Mia wacht auf. Sie öffnet die Augen und schaut sich um. Sie sieht den Soldaten und versteckt sich unter der Decke. Ich gehe hinüber zum Bett, schlage das Laken zurück und helfe ihr beim Aufstehen.
»Guten Morgen, Schatz«, sage ich strahlend. »Magst du was essen?«
»Wo Daddy?«
Ich sehe zu dem Soldaten hinüber, dann wieder zu Mia.
»Der ist im Moment beschäftigt. Wie wär’s mit ein bisschen Milch?«
»Wo Daddy?«
»Wir treffen ihn nachher.« Und dann an den Soldaten gerichtet: »Geht das?«
»Ich kann das nicht beantworten«, sagt er. Er schafft es nicht, mir in die Augen zu sehen. »Ich weiß es nicht. Ich … kümmere mich nur um Leute, solche wie euch.«
Gefangene meint er. Wie viele gibt es hier? Wer sind die andern? Was war das für ein Schrei heute Nacht?
»Aber du weißt, was hier läuft, oder? Was ist das hier für ein Ort?«
Er antwortet nicht.
»Wo sind wir?« Ich bedränge ihn.
Er fühlt sich jetzt richtig unwohl, windet sich fast.
»Ich bringe hier nur die Mahlzeiten und bediene den Fahrstuhl.«
Und vor allem andern verschließt du die Augen? Stimmt das? Er muss doch mehr wissen.
»Brauchst du sonst noch was? Mr … Saul hat gesagt, ich soll dich fragen.«
»Vielleicht ein paar Klamotten für Mia … und noch was für mich.«
Er lächelt fast, wieder zurück auf sichererem Terrain.
»Wir haben nicht allzu oft Kinder hier, aber … aber ich schau, was ich tun kann.«
Wir sind gerade bei der zweiten Scheibe Toast, als es erneut klopft.
Der Soldat geht und Mia dreht sofort den Kopf von der Frau weg, die eintritt – es ist die, die sie gestern zu beruhigen versucht hat, als ich ankam.
»Da bin ich wieder«, sagt sie und streckt mir die Hand entgegen. »Ich bin Marion. Wir hatten gestern einen unglücklichen Start, aber wir müssen uns jetzt unterhalten.« Sie klingt sehr von sich überzeugt. Sie trägt einen
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