Den Tod im Griffl - Numbers 3
den Traum, doch ihre Stimme zu hören und zu spüren, wie sich ihre Finger in meine Schulter graben, kommt mir vor wie die Antwort auf ein Gebet.
Ich lege meine Arme um ihren Körper und sie schmiegt sich ganz eng an. Langsam orientieren sich meine Augen in der Finsternis. Oben und unten am Rand einer Tür erkenne ich einen Lichtstreifen und dazu ein helles Rechteck, dort wo eine Klappe einen Spaltbreit offen steht. Auf einmal erinnere ich mich.
Wir sind in einem Raum, einer Zelle.
Mia und ich.
Aber Adam … wo ist Adam? Es gab einen Unfall. Er flog durch die Luft. Saul meinte, sie würden ihn herbringen, aber wo ist er? Ist alles in Ordnung mit ihm? Lebt er noch?
Ich habe Mia, die sich an mich schmiegt, doch plötzlich ist es in der Zelle einsam. Alles fühlt sich verkehrt an ohne Adam.
»Lass uns schlafen, Mia«, sage ich, obwohl ich weiß, dass ich in absehbarer Zeit bestimmt nicht schlafen kann. »Sollen wir ›Zwinker, zwinker‹ singen?«
Ich fange an zu singen. Aber Mia singt nicht mit. Nach der Hälfte des Lieds streckt sie die Hand nach oben und drückt sie mir auf den Mund. Ich höre sofort auf. »Keine Sterne«, sagt sie.
»Du willst nicht ›Zwinker, zwinker‹ singen?«
»Keine Sterne«, sagt sie wieder und zeigt an die Decke. Und plötzlich verstehe ich, wie merkwürdig es für Mia sein muss, drinnen zu schlafen.
»Oh«, sage ich. »Wir können die Sterne hier drinnen zwar nicht sehen, Mia, aber sie sind trotzdem noch da. Sie sind nicht fortgegangen. Sie warten auf uns. Sie können uns hören, wenn wir singen.«
Ich fange wieder an und diesmal stimmt Mia mit ein. Wir singen zusammen, bis ihre Stimme allmählich verstummt und ihr Atem gleichmäßig und schwer wird.
Sie ist eingeschlafen. Ich hoffe, sie ist jetzt woanders, an einem besseren Ort als diesem. Ich wünschte, auch ich könnte schlafen, aber ich kann nicht. Ich höre jemanden schreien, ganz fern. Eine männliche Stimme, die in der Nacht schreit. Dann Schritte, zuerst ganz leise, doch sie werden immer lauter, bis sie vor meiner Tür sind. Sie bleiben stehen. Mein Herz setzt für einen Schlag aus. Ich höre Stimmen, leise, männliche.
Ich überlege, was ich als Waffe benutzen könnte, wenn sie hereinkommen. Doch es gibt nichts.
Ich verstehe zwar einige Worte, aber ihr Gespräch ergibt für mich keinen Sinn. Es endet jedoch mit einem Witz. Zwei tiefe Stimmen lachen gemeinsam. Lachen sie etwa über mich, über uns?
Dann wieder Schritte, sie werden wieder leiser, bis sie verschwunden sind. Doch es waren nur Schritte von einem, aber ich habe eindeutig zwei Stimmen gehört. Ist der andere noch vor der Tür?
Mias Arm ist um meinen Körper geschlungen. Ich hebe ihn vorsichtig hoch und lege ihn auf ihr ab, dann befreie ich mich aus der Decke und gehe auf Zehenspitzen durch den Raum.
Ich schaue durch den Spalt in der Klappe. Mir dreht sich der Magen um.
Ein Auge schaut herein, nur ein paar Zentimeter entfernt von meinem.
»Wer bist du?«, flüstere ich. Ich habe Angst, eine Antwort zu bekommen, Angst, keine Antwort zu bekommen. Ich bin zurück in dem Haus, wo ich aufgewachsen bin. Es gibt eine Tür und einen Mann davor und ich sitze in der Falle.
Mein Dad ist tot, aber die Angst ist noch da, sie lauert darauf, mich zu überfallen. Lauert auf Momente wie diesen. Ich halte den Atem an.
Das Auge blinzelt, einmal, zweimal, schließlich wendet es sich ab.
ADAM
»Du hältst dich gut, Adam. Deine kognitiven Fähigkeiten sind hervorragend, wenn man bedenkt, was du gestern durchgemacht hast.«
Das ist wieder der Typ mit dem zerquetschten Kopf. Newsome. Er stellt jetzt die Fragen und macht weitere Untersuchungen. Neben ihm sitzt schweigend der Grauhaarige, der Typ mit der Narbe und der flimmernden Zahl. Jedes Mal, wenn ich ihn anschaue, trifft mich die geballte Wucht dieser Zahl. Sie ist abstoßend und faszinierend zugleich. Irgendwas ist mit der Zahl … aber ich weiß nicht, was. Noch nicht.
»Hervorragend«, sagt Newsome. »Dann kommen wir jetzt zu ein paar ausgeklügelteren Tests.«
Und ehe ich weiß, wie mir geschieht, hat ein Assistent bereits einen Ledergurt durch die Armlehne meines Stuhls gezogen und um mein rechtes Handgelenk geschnallt.
»Verdammt, was soll –?«
»Nur eine Vorsichtsmaßnahme.«
»Nein, nein. Ich will das nicht.«
»Du musst dich dabei ganz ruhig verhalten oder der ganze Test funktioniert nicht.«
Ich versuche mich zu wehren, aber ich bin zu schwach und sie sind jetzt zu zweit. Auch mein linkes
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