Denen man nicht vergibt
ich habe mich bei dir immer sicher gefühlt, weil ich nie auch nur eine Andeutung hörte, dass du deine Frau mit irgendeinem jungen Ding betrügst, wie das so viele andere Politiker tun.«
Er schaute ihr tief in die Augen, breitete die Hände aus und sagte mit weicher, tieferer Stimme: »Komm, setzen wir uns hin und reden wie zwei vernünftige Erwachsene über das Ganze. Wie zwei Menschen, die Vorhaben, den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen. Das ist alles ein furchtbares Missverständnis. Du hast dir da ein paar Ideen in den Kopf gesetzt, die schlichtweg falsch sind. Wir werden rausfinden, wer das war, der dich überfahren wollte. Es wird irgendein Säufer gewesen sein, wirst sehen. Und was diese Lebensmittelvergiftung betrifft, das war einfach ein unglücklicher Zufall. Hier gibt es keine große Verschwörung, keine Geheimnisse und Rätsel. Bis auf diesen Brief.«
»Mir ist völlig klar, dass, wenn ich mit dem Brief zur Polizei gehen würde, du und all deine teuren Ärzte mich als arme Irre hinstellen könntet, ein trauriger Fall, und die Leute würden dir wahrscheinlich glauben. Wenn sie mir doch bloß die Originalseiten geschickt hätte, nicht diese Kopien, dann hätte ich vielleicht eine Chance gehabt, aber nicht so.«
Sie hielt inne. Er sagte nichts.
»Aber ich will dich nie Wiedersehen.«
Da stürzte er sich ohne Vorwarnung mit gekrümmten Fingern auf sie. O Gott. Sie riss ihre Smith & Wesson heraus, aber da war es schon zu spät. Er riss ihr die Briefseiten aus der Hand und sprang schwer atmend zurück. Er starrte die Seiten kurz an, bevor er eine nach der anderen in kleine Stücke riss. Als er fertig war, knüllte er alles zu einem kleinen Ball zusammen und warf ihn in den Kamin. Dann sagte er triumphierend: »Das ist es, was dieser Dreck verdient.«
Seine Hände waren noch immer wie Krallen gekrümmt. Sie hätte Angst gehabt, wäre da nicht ihre Pistole gewesen. Zitternd sagte sie: »Ich gehe jetzt, John. Und halte dich ab jetzt von mir fern.«
Sie wurde nachts durch ein Geräusch wach. Es war mehr als nur das normale Knarren ihrer Wohnung, mehr als nur die nächtlichen Geräusche, die zu hören sie gewöhnt war, wenn sie nachts allein im Bett lag und nicht einschlafen konnte.
Sie dachte an Cleo Rothmans Brief, der unwiederbringlich verloren war, an jenes Auto, das wie verrückt direkt auf sie zugerast war, an die Lebensmittelvergiftung, die sie beinahe umgebracht hätte. Sie dachte an John, wie er auf sie zusprang und ihr den Brief entriss.
Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass er sie hatte töten wollen. Aber sie hatte keinen Beweis, nicht das kleinste bisschen eines Beweises, nichts, das sie der Polizei hätte vorweisen können.
Da hörte sie es wieder. Ein Geräusch. Es klang wie leise Schritte. Nein, sie wurde allmählich hysterisch.
Sie lauschte eine ganze Zeit lang, doch es blieb still. Dennoch hatte sie Angst. Lieber ließe sie sich einen Zahn ziehen, als hier im Dunkeln zu liegen und auf verdächtige Geräusche zu lauschen. Ihr Mund war trocken, und ihr Herz klopfte so laut, dass sie fürchtete, man würde sie hören.
Das reichte. Nicola sprang aus dem Bett, schnappte sich den Schürhaken vom kleinen Zimmerkamin und untersuchte jede Schlafzimmerecke.
Nichts. Da war niemand.
Doch dann hörte sie wieder etwas, hörte, wie jemand wegrannte. Sie lief ins Wohnzimmer und zu der großen Fenstertür, die zum Balkon hinausging. Die Tür war nicht zu, sie stand einen Spalt offen.
Sie rannte ans Geländer, schaute hinunter und sah gerade noch eine dunkle Gestalt in den Schatten verschwinden.
Dann roch sie den Rauch. Sie rannte in ihre Wohnung zurück und sah den Rauch, der in dicken Schwaden aus der Küche hervorquoll. O Gott, der Kerl hatte ein Feuer gelegt. Hastig lief sie zum Telefon und wählte die Notrufnummer. Sie rannte in die Küche und sah sofort, dass das Feuer bereits außer Kontrolle war. Ihr blieb gerade noch Zeit, in eine Jeans, Schuhe und ein T-Shirt zu schlüpfen, Handtasche und Mantel an sich zu reißen und aus der Wohnung zu stürzen. Auf dem Weg nach unten hämmerte sie laut an die Türen ihrer Nachbarn. Sie wusste, dass er wahrscheinlich unten auf sie lauerte, wahrscheinlich in einer der Gassen gegenüber, denn er wusste, dass es ihr gelingen würde, lebendig rauszukommen, da er ja gesehen hatte, wie sie ihn vom Balkon aus beobachtete.
Sie blieb in der Nähe des Hauses, dicht bei den Nachbarn, und sah zu, wie die Feuerwehr kam, wie das Gebäude in aller Eile
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