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Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben

Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben

Titel: Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Gleichauf
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Reaktionen, die ein gewisses Unbehagen bekunden, weit häufiger als solche der
     Zustimmung. Einer von denen, die sich positiv äußern, ist Clemens von Brentano. Er schreibt kurz nach Erscheinen der
Gedichte und Phantasien
an Günderrode: »...   ich habe sie mit Entzücken gelesen, es scheint mir möglich, dass sie von Ihnen seien, aber ich kann dann wieder nicht begreifen,
     daß ich eine solche Vollendung in Ihrem Gemüth nicht sollte verstanden haben   ...« 19
    Clemens’ Brief ist allerdings nicht ehrlich und uneigennützig geschrieben, wie sich wenig später herausstellt. Er hat vor,
     abermals in engeren Kontakt zu Günderrode zu treten. Da sie dies Ansinnen aus der Erfahrung mit ihmheraus abwehrt, reagiert er in einem Brief vom 2.   Juni 1804 mit Kritik an ihrem Werk: »...   Ich werde Ihnen beweisen, dass ich weiß, wie man schreiben soll und muss, um es mit Ruhe zu können und sich selbst von dem
     Leser und Kritiker rein zu erhalten.... Sie müssen sich bemühen, von der grauen Reflexion zur bunten, lebendigen Darstellung
     überzugehen, um sich Ihrer Anlage zu entreißen und zur eigentlichen Macht zu gelangen.... Das Einzige, was man der ganzen
     Sammlung vorwerfen könnte, wäre, dass sie zwischen dem Männlichen und Weiblichen schwebt   ...« 20
    Wie schnell Clemens sein Urteil geändert hat! Er, ein angesehener Dichter, bietet Günderrode an, ihr beim Dichten zu helfen.
     Was er kritisiert, ist gerade das, was ihre Stärke ausmacht: dass sie sich nicht einfach in Gefühlsströmen ergießt, sondern
     auch dem Denken Raum lässt. Dabei ist gerade das für die Romantik eigentlich typisch, hat aber offenbar für Frauen nicht zu
     gelten. Novalis beispielsweise schreibt ganz ähnlich wie Günderrode. Auch er schätzt die Verbindung von klarem Denken und
     phantasiedurchtränkter Sprache. Auch er liebt die kleine Form, das Fragment. Aber er ist eben ein Mann. Unlösbar ist die Spannung,
     in die die Gesellschaft Günderrode zwingt. All das hindert sie nicht am Weiterschreiben, und ihre Freundin Bettine unterstützt
     sie darin.
     
    Anfang August 1804 lernt Günderrode den Altertumsforscher Georg Friedrich Creuzer kennen. Sie wird von Carl und Sophie Daub,
     einer Jugendfreundin Karolines, nach Heidelberg eingeladen, wo Creuzer wohnt und lehrt. Es tut Günderrode gut, nach Heidelberg
     zu reisen, ein paar Menschen zu treffen, aus ihrer Einsamkeit auszubrechen.Carl Daub ist ein sehr guter Freund von Creuzer. Creuzer, neun Jahre älter als Günderrode, ist in seiner Ehe nicht unbedingt
     glücklich. Seine bedeutend ältere Frau ist die Witwe eines Professors, dem Creuzer zu Dank verpflichtet ist, sodass die Eheschließung
     mit ihr eher als Akt der Dankbarkeit denn der Liebe zu bezeichnen wäre. Creuzer, ein sehr pflichtbewusster Mensch, ist zudem
     abhängig von der Finanzspritze, die die Familie seiner Frau ihm gibt. Er wurde gerade zum ordentlichen Professor der Klassischen
     Philologie und alten Sprachen an die Universität Heidelberg berufen und nimmt es dankbar an, dass seine Frau Sophie die gesamte
     Hausarbeit übernimmt, darüber hinaus aber keinerlei Interessen pflegt.
    So ist der Professor innerlich vorbereitet auf eine große, leidenschaftliche Liebe, die ihn ganz ausfüllen könnte, Schwung
     in seine langweiligen Tage brächte. Auf der Stelle verliebt er sich in Günderrode und vergisst fast, dass er verheiratet ist,
     wartet auf Post von ihr und hat endlose Sehnsucht. Bereits im Oktober 1804 schreibt er an Günderrode: »Das Vertrauen, das
     Sie in den ersten Stunden unserer Bekanntschaft gegen mich zeigten, war das gegen einen alten Freund. Aus mir aber sprach
     Liebe vom ersten Augenblick an.« 21
    Günderrode wahrt zunächst Abstand, verliebt sich nicht Hals über Kopf. Die Philosophin und Dichterin ist vor allem fasziniert
     davon, dass hier einer ist, mit dem sie über ihre Ideen sprechen kann. Creuzers Forschungen betreffen in der Hauptsache die
     alten Mythen. Er hat die Vorstellung, dass alle Mythen auf einen Urmythos zurückgehen könnten, als dessen Ursprungsort er
     den Orient vermutet. Für diese Gedanken kann sich Günderrode begeistern. Umgekehrt nimmt sich Creuzer ihrer Werke an, besprichtEinzelheiten mit ihr, schult sie in griechischer Verslehre, kümmert sich um Verlage. Hier ist also endlich jemand, der völlig
     uneitel mit ihren Texten umgeht, ihr keine Vorschriften macht, sich nicht anmaßt, besser zu wissen, was ihr ziemt.
    Günderrodes neues Werk,
Melete,
wird von

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