Denken Mit Dem Bauch
deutlich über dem Durchschnitt - nicht nur in den USA.
Westpoint-Absolvent und Befehlshaber der US-Truppen am Golf General Norman Schwarzkopf schreibt in seinem Buch Desert Storm, dass er seine Truppen aus dem Bauch heraus geleitet hat. Nur seine untrügliche »Nase« zeigte ihm die richtigen Entscheidungen, denn die Aufklärungsarbeit des CIA sei miserabel gewesen. Wäre er den kognitiven, folgerichtigen Empfehlungen der CIA-Leute gefolgt, hätte er eine
Fehlentscheidung nach der anderen getroffen. Die Truppen des Despoten Saddam Hussein sahen die Entscheidungen des
Norman Schwarzkopf aus einer anderen moralischen Warte.
Auch hier lief also eine Bauchentscheidung nur nach dem eigenen Moralmaßstab ab - nach nichts sonst.
Diese Aufzählung der großen, bekannten Bauchentscheider ließe sich bequem fortsetzen, von Harry Truman (entschied 1947 gegen alle internationalen Widerstände den Marshal Plan, den die Russen für unmoralisch hielten) über Thor Heyerdahl (segelte mit einem Binsenschiffchen von Marokko nach
Argentinien - und alle erklärten ihn für völlig verrückt) bis hin zu Otto von Bismarck, dem man nachsagt, dass er seine
pfiffigen Rückversicherungsverträge mit Polen, Russland und Österreich nur aus dem Bauch heraus entschieden hatte. 1879
brach Bismarck mit allen politischen Kräften, besonders mit den Nationalliberalen, und setzte seinen Willen erneut durch - aus dem Bauch heraus, schreibt A. Hillgruber in der Bismarck'schen Biographie. Frankreich hielt Bismarcks cleve re Rück-Versicherungen für moralisch tief verwerflich.
Allen bekannten, spektakulären Bauchentscheidungen der Geschichte ist gemeinsam, dass sie moralische Standorte beziehen, die immer nur an der Messlatte des Entscheiders gemessen sind. Die Außenwirkungsparameter spielten für die Bauchentscheidung offenbar keine so große Rolle.
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Aber es geht auch eine Nummer kleiner. Man braucht nicht Truman, Hemingway, Schwarzkopf oder Bismarck. Man
braucht nur das tägliche Leben. Das ganz alltägliche Leben zeigt uns, dass wir Menschen offenbar nach wie vor in vielen (fast allen) Bereichen des Lebens nicht kognitiv, sondern intuitiv entscheiden. In Gefahrensituationen oder in Konfliktsituationen wird dies besonders deutlich. Denn wenn wir uns in solchen Situationen befinden, kommen unsere Entscheidungen sogar zu annähernd 100% aus dem Bauch heraus und es sind oft die richtigen Entscheidungen, aber eben nicht immer.
Ein anderes, eher allgemeines Beispiel für eine typische Bauchentscheidungssituation: das Bewerbungsgespräch. Alfred ist Personalberater und kümmert sich um die Auswahl und Einstellung von leitenden Mitarbeitern für Call-Center und E-Business-Firmen. Eigentlich braucht er Tausende von
Informationen über den jeweiligen Kandidaten, um bei seinen Entscheidungsvorbereitungen auch nur halbwegs richtig zu liegen. Doch nach fünf Minuten Gespräch ist für ihn die Sache meist klar. »Reine Bauchentscheidung«, bestätigt er. Ist sie erst einmal getroffen, sammelt der Personalberater nur noch Eindrücke, die sein Urteil bestätigen. Natürlich kann der Bauch mit seiner Prognose auch mal danebenliegen, aber, wie Alfred betont, glücklicherweise selten.
FAZIT
• Bauchentscheidungen finden im Kleinen wie im Großen
täglich statt. Fühlt der Bauch sich in seiner Haltung innerhalb seiner Programmgrenzen positiv bestätigt, neigt er dazu, das zu tun, was ihm und seinem Eigentümer emotional gut tut.
• Das kann auch eine objektiv katastrophale Entscheidung sein, die aber dem Entscheider emotional gut tut. Das passiert
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sogar viel öfter, als uns Menschen lieb sein kann.
• Bauchentscheidungen sind immer auch moralische
Bewertungen einer Situation - und zwar (fast) ausschließlich aus der subjektiven Sichtweise des Entscheiders.
• Bauchentscheidungen werden immer dann vermehrt benutzt, wenn der Entscheider in einer sozial armen Umwelt lebt. Je ärmer seine Sozialkontakte, umso eher der innere Dialog mit dem Bauch.
• Je mehr Stress wir erleben, umso eher entscheiden wir aus dem Bauch heraus.
• Bauchentscheidungen sind nicht immer objektiv richtig, meis tens objektiv fragwürdig.
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Das enterische Nervensystem
Dass Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen werden, ist, wie wir gesehen haben, so alt wie die Menschheit. Und dass Bauchentscheidungen nicht nur aus dem Kopf heraus organisiert werden, ist nicht etwa neu - es war schon immer so. Der biochemische Vorgang, dass tatsächlich der
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