Denken Mit Dem Bauch
falschen Basis.
Wenn man davon ausgeht, dass der Mars bewohnbar ist, kann man dort auch Städte aufbauen.
Dass bei solcherart »Science-Fiction-Entscheidungs-
Vorbereitung« nichts Gescheites mehr herauskommen kann, außer eben Science-Fiction, ist klar. Dennoch ist dieses Bauchverhalten so sehr weit verbreitet, dass ich nicht versäumen möchte, es genau zu schildern. Ziel des Bauches ist dabei, das ohnehin schon ziemlich mühsame und komplizierte Prüfsystem des Gehirns gänzlich zu unterlaufen - was ihm für einen brauchbaren Zeitraum meist auch gut gelingt. Manchmal sogar für Jahre oder Jahrzehnte. Diesem merkwürdigen
Entscheidungsverhalten gebe ich den Namen »Behagliches Phantom«.
Der Bauch und sein trickreiches Phantomverhalten
Unter einem »Phantom«, so schreibt das Meyer'sche Lexikon…
»… versteht man eine Sinnestäuschung, eine Fehlannahme oder eine Geistererscheinung. Der Begriff stammt aus dem griechischromanischen Sprachgebrauch.«
Das behagliche Phantom begleitet uns in wirklich allen Lebensbereichen. Mir kommt da das Beispiel eines
Geschäftsführers eines großen Universalkaufhauses in den Sinn, der mir bei der Recherche für ein anderes Buch besonders
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aufgefallen war. Der Geschäftsführer, nennen wir ihn Herrn Max, war mir deshalb besonders aufgefallen, weil er etwas ganz Besonderes tat: Er ging in einer Art durch sein Kaufhaus, so, wie er dachte, ein Geschäftsführer durch ein Kaufhaus zu gehen hat. Er redete mit den Mitarbeitern, so, wie er meinte, ein Geschäftsführer zu reden hat. Er trug eine Körperhaltung zur Schau, so, wie er meinte, ein Geschäftsführer sich zu halten hat.
Er sammelte Huldigungen von seinen Mitarbeitern ein, so, wie er meinte, sie als Geschäftsführer zu benötigen. Er verteilte Lächeln, so, wie er meinte, ein Geschäftsführer es verteilen muss.
Der Mann war so falsch, so unecht, dass es erschreckend war.
Alles an ihm war Science-Fiction. In keiner Situation war er er selbst. Und er baute auf dieser falschen Basis seinen gesamten Führungsstil auf. Der Führungsstil war natürlich zwangsläufig ebenfalls falsch wie die Sünde. Als ich später bei ihm im Büro saß, wir miteinander Kaffee tranken und redeten, war er auf einmal völlig anders. Er sprach anders, er ging anders, er hielt sich anders - er war ein anderer Mensch. Kam allerdings seine Sekretärin mit einem Fax ins Büro, war er sofort wieder die Phantomfigur »Geschäftsführer«.
Ich benötigte einige Zeit, um zu verstehen, dass der Mann nicht schizophren war. Er hatte lediglich die Eigenart, ein konsequentes Phantom aufzubauen, um damit seiner Meinung nach allen Sorgen und Problemen aus dem Wege gehen zu können. Ein nicht ungefährliches Unterfangen, denn mir sind Fälle bekannt, in denen der Aufbau einer völlig unechten Persönlichkeit so aufwändig gemacht wurde, dass die
Betreffenden nach einiger Zeit selber daran glaubten - sie wurden sozusagen verrückt.
Ich fragte den Geschäftsführer, warum er das tun müsse.
Seine Antwort ist typisch für alle Antworten von Menschen, die ihre Entscheidungen auf den Sockel eines Phantoms stellen: »Da kann mir nichts passieren, da kommt keiner an mich heran.« Ob
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ihm das nicht zu anstrengend sei, wollte ich wissen. Denn er setze sich ja mit der massiven Einschränkung seines
persönlichen Handlungsspielraums und den gelogenen
Wertevorstellungen unter ständigen Stress - und das sechs Tage in der Woche, 12 Stunden am Tag. Nein, meinte er, es sei nicht so anstrengend. Er könne das noch leisten. Außerdem sei es ihm bereits zur zweiten Natur geworden. Es komme sozusagen aus dem Bauch, er müsse darüber gar nicht mehr groß nachdenken. -
Kein Kommentar…
Ein Beispiel aus der Partnerschaft, von dem ScheidungsAnwälte mehr als ein Lied singen können, soll das »Verrückte«
am Phantomverhalten noch besser verdeutlichen: Er sieht sie.
Sie gefällt ihm. Sie sieht ihn. Er gefällt ihr. Beide beschließen zeitgleich, dass man sich näher aufeinander einlassen könnte.
Sie berichtet von ihrem bisherigen Leben - er berichtet von seinem bisherigen Leben. Sie kommen sich näher - meinen sie.
Tatsache hingegen ist, dass zwei behagliche Phantome sich näher kommen. Denn er verhält sich in seiner Kommunikation und seiner Selbstdarstellung ihr gegenüber so, wie sein Bauch meint, dass sie damit gut klarkommen kann. Kurz: Er verhält sich präzise so, wie er meint, dass sie ihn lieben kann.
Nehmen wir nun weiter an, sie würde
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