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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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    Damals fielen diese Ungewöhnlichkeiten wohl auch auf, aber wichtigere, aufs Allgemeine — von dem doch das Einzelne stets abhängt — gerichtete Sorgen ließen jene kleinen Ereignisse aus unsern Blicken verschwin-den. Preußen erhob sich mächtig und laut, und es blieb kein Zweifel mehr, daß es das Joch zerbrechen woUe, unter dem Frankreich es gefangen hielt. Auf Rußlands tätige Mitwirkung war seit den Ereignissen von 1812 und dem Brandt von Moskau zu zählen; was die deut-schen Rheinbundfürsten tun würden oder eigentlich, was sie tun durften, war ungewiß. In vielen edlen Her-zen, wie z. B. in dem des damaligen Kronprinzen, jetzi-gen Königs von Bayern, regte sich die deutsche Ge-sinnung, der Wunsch, das fremde Joch abzuschütteln, mit Macht; aber keiner wollte oder durfte einzeln her-vortreten. So richteten sich vieler Augen sehnsüchtig und gespannt auf Österreich, welches durch enge Ver-wandtschaftsbande an Napoleon gebunden, und von den deutschen Fürsten mehr als einmal im Stich ge-lassen, allein zu bluten und zu weichen gezwungen wor-den war. Aber nichts verlautete von seinen Gesinnun-gen, und trüb und ängsthch standen wir, mitten in der frisch aufblühenden Natur des Frühlings von 1813, un-ruhig in die so nahe und so dichtverhangene Zukunft blickend'i3*).
    Preußen hatte den Krieg offen erklärt. Die Feind-seligkeiten begannen; die Schlachten von Lützen und Bautzen'^!*) waren vorüber. Mit welcher Spannung hatte
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    man diese Nachricht erwartet, und wie wenig war sie geeignet, unsere Hoffnungen aufzurichten. O, ich er-innere mich noch wohl eines wunderschönen Abends, wo wir im Garten mit einer sehr werten Freundin Hen-riette Ephraim'^^) und der liebenswürdigen Marianne Saaling'^*) unter Blüten und Blumen beisammen saßen, die trüben Ereignisse der Gegenwart, die noch düsterere ^"ukunf t mit schwerem Herzen erwägend, und wie gerade das unaufgehaltene Entwickeln der Natur in ihren fest-gezeichneten Kreisen, während in der moraHschen Welt solche Stürme tobten, mir so schmerzlich erschien: diese frommen Blüten, diese stillen Lenzesfreuden, welche uns Segen und Fülle verhießen, gegenüber gezo-genen Schwertern, angeschlagenen Feuergewehren und erbittertem Haß!
    Um diese Zeit führte sich der berühmte Bruder einer später noch viel berühmtem Schwester, Herr Clemens von Brentano'"), mittelst eines Briefes von Tieck, wenn ich mich recht entsinne, bei mir ein. Tieck'^^) war im Jahre 1808 oder 1809 mit seiner Schwester öfter bei uns gewesen, und ich darf wohl nicht erst sagen, daß diese Be-kanntschaft für mich sehr großen Wert hatte und noch hat, und daß ich stolz darauf bin, daß Tieck meiner noch öfter freundlich gedacht, und mir die Bekanntschaft bedeutender Personen, wie z. B. noch viel später des edlen, unvergeßlichen Carl Maria von Weber ver-schaffte. Damals, wie ich ihn sah, war Tieck ein hüb-scher, schlank, obwohl nicht hochgewachsener Mann von etwa 30 oder 32 Jahren, an dessen gefälliges Äußere mich ebenfalls im Äußerlichen der Dichter Nikolaus Lenau, den ich erst vor kurzem kennen gelernt, lebhaft erinnert hat. Seine Schwester war als Frau viel weniger hübsch, aber sie war eine Dichterin, eine geniale Frau,
    die ihrem Gemahl Bernhardi'^^), wie man sagte, davon gegangen war, und mit einem Herrn von Knorring'^o)^ den sie später auch heiratete, herumreiste. Das war so damals die Art, wie geistreiche Frauen die Lehren der romantischen Schule aufs Leben anwandten.
    Doch ich kehre zum Faden der Geschichte im Jahre 1813 und Herrn von Brentano zurück. Auch er gehörte dieser neuen Geistesrichtung an, und obwohl seine sehr markierte Originalität, sein poetisches Talent und seine geistreiche Unterhaltung mir manche angenehme Stun-den machte, so fand ich doch auch vieles so heterogen in unserer beiderseitigen Denkart, daß ich ihn oft mit Erstaunen sprechen hörte, und ebenso oft ganz und gar nicht begriff, was er meinte und sagte. Dies Nicht-begreifen der Reden und Schriften anderer, oft sehr ge-lehrter oder sinnreicher Männer, begegnete mir da-mals schon zuweilen, seitdem aber immer öfter. Ich habe mich schriftlich darüber ausgesprochen'^^), und erlaube mir nun die Frage zu wiederholen, ob denn nur an mir — die auch früher ernste Bücher gelesen und verstanden hatte — oder nicht vielmehr an der Vortrags-weise dieser Schriftsteller die Schuld davon liege? —
    Brentano las uns in drei Abenden sein großes dra-matisches Gedicht: Die Gründung von Prag'^a)^

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