Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Lemos, eine der weniger geistreichen Berliner Jüdinnen, seit 1779 mit dem be-kannten Philosophen und Arzt Marcus Herz verehelicht, war eine, mannigfachen Angriffen ausgesetzte Schönheit, die aber fleckenlos blieb und mit den bedeutendsten Männern ihrer Zeit in Seelen-
freundschaft verbunden war. Ihr Haus war ein Mittelpunkt der Geselligkeit. Sie war stets bemüht, sich auszubilden und ein tätiges Leben zu entfalten. Wie ihre Freundin Dorothea Schlegel ver-fiel auch sie dem Banne des Christentums und trat 1816 in aller Stille zur protestantischen Religion über. Ihre letzten Tage wären in Not verflossen, wenn ihr nicht Alexander von Humboldt eine Gnadengabe verschafft hätte. Vgl, J. Fürst, Henriette Herz. Ihr Leben und ihre Erinnerungen.^ Berlin 1858; Briefwechsel des jungen Börne und der Henriette Herz, Herausgegeben von Lud-wig Geiger. Oldenburg (1905), S. 5ff.; Jugenderinnerungen von Henriette Herz. In: Mittheilungen aus dem Litteraturarchive in Berlin I. (Berlin 1897), S. 141 ff. (geschrieben 1823). — Im Jahre 1811 besuchte sie Wien und ihre Freundin Schlegel. Bei dieser lernte sie die bedeutendsten Wiener Größen kennen, doch befriedigte sie die Wiener Gesellschaft nicht, da selbe zu stark das leibliche Wohlbehagen betonte, dabei aber in geistiger Armut befangen war. Nur Karoline Pichler allein hinterließ in ihr eine angenehme Erinnerung, denn diese war zwar „äußerlich häßlich, aber angeregt und sehr anregend,^ und dabei gemütlich und ein-fach" (Fürst, S. 66). Über die Beziehungen der Herz zur Schlegel vgl. Jugenderinnerungen a. a. O. I, S. 165 f.
^ Über den Kometen des Jahres 1811 und über dessen poetische Verwertung durch Karoline Pichler vgl. II, Anm. 238. — Lulu Gräfin Thürheim (Mein Leben I, S. 369) nennt diesen Kometen einen der schönsten, den sie je sah.
^^) Theodor Körner (1791—1813), Held und Freiheitssänger, kam im Sommer 1811 (26. August), reichlich mit Empfehlungen ausgestattet, nach Wien, wo er sich dichterisch auslebte, Gedicht auf Gedicht und Theaterstück auf Theaterstück in etwas zu jugend-licher Hast schrieb. Gleich nach seiner Ankunft wollte er Karoline Pichler, an die er ein Empfehlungsschreiben von Merian hatte (oben S. 387) besuchen, und schon am 31. August 18 n (Samstag) schrieb er an seinen Vater (Augusta Weldler-Steinberg, Theodor Körners Briefwechsel mit den Seinen. Leipzig 1910. S. 147), daß er vergangenen Donnerstag (29. August) bei Friedrich Schlegel war und dieser ihm versprach, ihn zur Pichler zu führen. Doch kam Körner nicht dazu, trotzdem ihn am 21. Oktober 1811 sein Vater brieflich mahnte (Weldler-Steinberg, S. 151 f.), die Merian-sche Empfehlung doch endlich bei der Pichler abzugeben. Unter-dessen wurden seine ersten Stücke Qanuar 1812) in Wien aufge-führt, Toni wurde gegeben (17. April 1812) und Friedrich Schlegel hatte seine Vorlesungen begonnen (27. Februar 1812), bei der die Pichler Körner zum erstenmal sah, aber nicht sprach (oben S. 387). Seine gesellschaftliche Ungezogenheit vertrug sie nur schwer, dä-
her ließ sie ihn durch August v. Kurländer auffordern, ihr wenig-stens Merians Brief zu senden (oben S. 388), und nun kam Körner nach dem 17. April 1812 („Toni") endlich zu ihr, eroberte sich ihre Gunst und Freundschaft im Fluge (oben S. 261, 388 f.) und besuchte nun wiederholt das Pichlersche Haus. Seine neuesten Werke las er oft bei der Pichler vor (oben S. 389), so am i8. Novem-ber 1812 die „Rosamunde" (oben S. 390), was Karoline Pichler veranlaßte, darüber einen begeisterten Brief zu schreiben, den Körner mit einem Sonett beantwortete (oben S. 390 mit Anm. 661). Die übrige Wiener Gesellschaft nahm Körner ebenfalls freundlich auf und bei Baronin Pereira und deren Verwandten verkehrte der neuernannte Burgtheaterdichter Qänner 1813) fleißig. Für diesen Kreis hatte er im Dezember 1812 die zwei Erzählungen „Die Tauben" und „Die Rosen" erdacht (Weldler-Steinberg, S. 209), welche 1819 Karoline Pichler nach der mündlichen Er-zählung der Baronin Pereira für diese schriftlich fixierte und die nun in dieser Form in Körners Werke (S. W. Herausgegeben von K. Streckfuß.5 Berlin 1858. S. 697ff.) Eingang fanden. Kömers Jägerlied wurde bei Pichler eines schönen Abends, als die Wogen der Begeisterung hochgingen, abgesungen (oben S. 405). Am 15. März 1813 verließ Körner, seine Braut Toni Adamberger zurücklassend, Wien (oben S. 406), trat am 19. März 1813 ins Lützowsche Freikorps, wurde im Juni verletzt, lebte
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