Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
der literarischen Geschmacklosigkeit, des Dünkels und der Unkorrigierbarkeit von gewachsenen und sodann blindlings kanonisierten Meinungen.
Und sein Sohn, mein Prozeßgegner (1991–93) René Böll, der war oder ist mir als Feind und Widersacher einfach zu doof, zu wenig satisfaktionsfähig.
Wäre es also so etwas wie eine Variante des Gottfried Bennschen »Gegenglücks (des) Geistes«, das dem Reinlichkeits- und Säuberungswillen dessen jederzeit zur Seite steht, der sich unterm windigen Diktat des Geldverdienens oder aber wie in luxuriöser Völlerei Lieblingsfeinde hält, sie entdeckt, sie unbeugsam großzieht und starkmacht, um sie dann wenigstens virtuell-spirituell abzuschlachten? Ganz gegen die von Jesus empfohlene Feindesliebe – vielmehr, um im Christusfach zu bleiben, sie aus dem Tempel des Lebens raushauen muß. Oder wenigstens möchte. Sie, die schon ganz besonders lästigen, verdrießlichen, lebensverleidenden »Mitbürger« (W. Brandt) oder sonstigen menschenähnlichen Lebewesen; die, wie es im Nachwort der Buchfassung der »Erledigten Fälle« heißt, »man wenn schon nicht aus der Welt schaffen, denn die Welt wäre öder ohne sie, so sie doch als Zumutungen, die uns schon viel zu lange und hoffärtig auf den Geist gegangen sind, angewidert ad acta legen möchte«.
Wenn ich heute sine ira et möglichst sine größere Selbstbelügung mit mir zu Rate gehe, dann bleibt im Fall der erledigten und gleichwohl überlebenden Lieblingsfeinde wenig Leidenschaft, wenig Kampflust zurück; auch kaum ein Gefühl von nachvöllerischer Befriedigung; das sich aber immerhin dann kurzzeitig einstellt, wenn, wie erwähnt, das SZ -»Streiflicht« fast 26 Jahre nach meiner definitiven Erledigung dieses ganz besonders schauderhaften Falls sich meines Hüsch-Pasquills von 1985 erinnert und daran erfreut und es wohl nur gern noch eine Idee schärfer gehabt hätte, was diesen »Scheiß-Henscheid-Artikel« (H.D. Hüsch noch am 23.4.91 in der Südwestpresse) angeht. Und gefreut habe ich mich immer auch, wenn einer wie der damals noch sehr wehrhafte Marcel Reich-Ranicki den Spieß versuchsweise umdreht und auf meine »Titanic«-Attacke hin im »Wiener« nicht schlecht pariert, meine Erledigungen machten ihn nur noch immer berühmter. Das hatte der damals noch nötig und saugte nur zu gern an diesem Nektar. Und in der FAZ -Literaturredaktion, die meine Bosheiten natürlich auch nur allzu freudig las, in schon fast virtuoser Vorwärtsverteidigung herumdröhnte: »Gar nicht dumm, gar nicht dumm der Artikel, was der junge Mann über mich schreibt, Eckehard Henscheid!« – ich war damals satte 44, und mein Opfer machte sich ostentativ nicht mal die Mühe, den Namen seines Peinigers korrekt zu benennen; ja, doch, auf derlei Ranküne und Späße verstand er sich ja immer, unser manchmal beinahe sympathischer Lautester.
Weniger schön, was der kreuzdümmliche Kabarettist (oder was immer er genau sein mag) Scheibner von sich gab, indem er für seinen vorgeführten Kollegen Hüsch in die Bresche tappte und mich deshalb zum »Stalinisten« ernannte. Wo ich doch eindeutig als Leninist ausgewiesen bin. Wenig bedacht noch gar einsichtig selbstverständlich auch Hüschens eigener »Scheiß«-Befund; wo ich ihn, Hanns Dieter, doch im Text selber mit »Scheiße, Scheiße, große Scheiße« schon auf die zuständige Metapher gebracht hatte.
Zugegeben, mit diesem immer noch sehr beliebten Wort sollte der Kritiker-Satiriker-Feindbeackerer, also ich, sorglich umgehen. Und es höchstens dreimal in seinem Berufsleben verwenden. Na, sagen wir siebenmal.
»Reue?« Mit meinem besonders langjährigen Opfer Luise Rinser (1985) kann ich die Frage nur stracks verneinen. Nein, auch ich »muß das Gesetz, nach dem ich angetreten, erfüllen, koste es, was es wolle« (a.a.O.) – ich hab es getragen inzwischen approximativ 37 Jahr’ – und wenn ich da und dort im Ton nicht restlos adäquat operierte und ein-zweimal meine Opfer überinterpretierte und überforderte: Häufiger fehlte mir die intime Hintergrundskenntnis, um noch präziser und hammerhafter dreinzuwuchten. Leider. Aber wirklich leid tut mir das heute auch nicht mehr. Denn siehe, am Ende liefe sub specie aeternitatis et mortis sonst es und überhaupt alles doch gar zu sehr und flink und wundermild auf die Hölderlinsche Hyperion-Versöhnung mitten im Streite hinaus; oder auch auf den Schluß von Hermann Brochs Romantrilogie: von wegen man möge einander kein Leid tun, wir sind ja alle
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