Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
keiner freiwillig rauf zu uns.«
Lene erzählte ihr die neueste Entwicklung. Gemeinsam berieten sie, wie viel davon und was sie der Presse offiziell mitteilen würden.
»Gerade mal so viel, dass sie nicht von den Schülern etwas erfahren können, was wir verschwiegen haben. Aber auf keinen Fall mehr. Die Ermittlungen laufen noch «, sagte Lene das meistbenutzte Sprüchlein der Presse gegenüber auf. Im Gehen nahm sie Beates gute Laune und ihr Lächeln mit. Sie lächelte noch als sie zum Aufzug kam.
Vierzig Minuten später bog sie in den Parkplatz für Besucher der Neurologie ein und hoffte inständig, dass Sven jetzt so weit ansprec hbar wäre, dass sie mit ihm reden konnte. Gleichzeitig fürchtete sie sich vor dem Gespräch. Wer sollte ihm sagen, dass seine Großmutter tot war? Ein solcher Schock in seinem Zustand war sicher nicht für seine Genesung förderlich. Verdammt, wie sollte sie es nur anstellen, die notwendigen Informationen aus ihm herauszulocken und ihm dennoch ein paar Tage Zeit zu geben um etwas gesünder und damit stabiler zu werden?
Die Schwester auf seiner Station holte sofort den Arzt, der sich mit Dr. Marquardt vorstellte. Er sah sie besorgt an, als sie ihr Anliegen vorbrachte. »Was für ein Schicksal sschlag für den Jungen, und was für ein Dilemma für Sie. Ich weiß auch nicht, wie Sie es anstellen wollen. Sicher ist nur, dass er noch nicht aufgeregt werden darf. Da muss ich mich auf Sie verlassen, sonst lasse ich Sie gar nicht zu ihm.«
Lene nickte zustimmend. Das war auch ihr klar.
Dr. Marquardt räusperte sich und fuhr sich durch das kurze, dunkle Haar. »Ich habe ihm heute Morgen schon erzählt, warum er hier ist. Dass es ein Skiunfall war.«
Als sie in den Aufwachraum kam, in den man Sven gelegt hatte um ihn verstärkt unter Kontrolle zu haben, atm ete sie erleichtert auf. Zwar war er noch an das Aufzeichnungsgerät seiner Funktionen angeschlossen, aber Sven war in einem viel besseren Zustand, als sie vermutet hatte. Sein Gesicht hatte wieder Farbe bekommen, und seine Augen blickten sie klar an. Hellgraue Augen, die sich etwas verengten, als sie sich vorstellte und sagte, dass sie von der Polizei käme.
»Wegen Ihres Unfalls. Wir müssen doch wissen, was Ihnen da pa ssiert ist, Herr Merthens.«
Er sah sie an. »Sagen Sie doch bitte Sven und du. Sonst komme ich mir hier so hilflos im Bett ganz komisch vor. Aber das Drama ist, ich kann Ihnen nicht helfen, weil ich gar nichts mehr weiß von dem U nfall. Nur das, was der Arzt heute Morgen gesagt hat. Dass ich einen Skiunfall hatte und man mich gestern nach Nürnberg geflogen hat. Meine Erinnerung hört auf, als wir aus der Gondel oben auf der Bergstation ausgestiegen sind. Ich sehe noch die tolle Bergkette und war richtig glücklich in dem Moment. Da oben fühlte ich mich so frei. Und da hört’s dann schon auf. Wo ist es denn passiert? Und was? Und wieso ist meine Moma nicht da – Entschuldigung, ich nenne sie Moma, aber eigentlich ist sie meine Großmutter. Ich warte schon die ganze Zeit auf sie. Telefonieren lassen sie mich noch nicht.«
Die Frage, vor der sie sich gefürchtet hatte.
»Deine Großmutter ist wohl ein paar Tage verreist, weil sie dachte, du bist sowieso in Österreich. Wir erreichen sie weder auf dem Festnetz noch auf ihrem Handy. Ich war schon bei euch, weil ich das mit deinem Unfall mit ihr klären wollte. Dabei habe ich euren Nachbarn getroffen, Herrn Klahr.«
Sven wollte nicken, hielt aber in der Bewegung inne. Sein Kopf war bis zum Hals bandagiert, das war ihm wohl eingefallen. »Ja, Herr Klahr. Der ist in Or dnung. Was hat er gesagt?«
»Dass deine Großmutter am Montag verreist ist. Am Dienstag bist du ve runglückt, seitdem versuchen wir sie zu erreichen. Hast du eine Ahnung, wo sie hin wollte?«
Gott möge mir meine barmherzige Lüge verzeihen, dachte sie. Wie soll ich da später wieder rauskommen? Sie hatte plötzlich ein Mitgefühl mit allen Lügnern. Wie entsetzlich a nstrengend es doch war zu lügen und wehe, wenn man sich in den eigenen Fäden verirrte!
»Nee, keine Ahnung.«
Da haben wir’s wieder. Keine Ahnung. Also noch einen weiteren Umweg.
»Erst einmal viele liebe Grüße und du sollst ganz schnell gesund werden von – warte mal – Steffi, Michael, Raffael, Dani und allen a nderen. Und von Frau Gellner und Herrn Kaufmann auch. Da wir deine Großmutter nicht erreichen konnten, war ich nämlich in Hinterglemm und habe mit fast allen gesprochen.«
Bei der Erwähnung von Steffi und
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