Denn das Glueck ist eine Reise
über Georges’ Rheuma, und dieser streifte den roten Fleecepullover über, den Françoise ihm geschenkt hatte. Sie stiegen in den Scénic und fuhren nach Carnac.
Vom Auto aus konnten sie auch ein paar Megalith-Reihen sehen, aber man hätte natürlich zu Fuß weitergehen müssen, um einen richtigen Eindruck von den dreitausend Menhiren, Dolmen und Tumuli zu bekommen, von denen Charles so viel gehört hatte. Doch mittlerweile goss es wie aus Kübeln, und es stand außer Frage, auch nur den kleinen Zeh rauszustrecken. Also warteten sie auf dem Parkplatz des Rathauses. Sie warteten und warteten, mindestens eine Stunde, doch der heftige Regen prasselte noch immer auf die Windschutzscheibe. Georges musste sich auf die Zunge beißen, um nicht über Ginette zu sprechen. Und aus lauter Anstrengung, dieses Thema zu vermeiden, schlief er ein. Es verging eine ganze Weile, bis Charles Georges schließlich wachrüttelte und vorschlug, dann eben das Prähistorische Museum vor Ort zu besichtigen. Sie konnten es vom Wagen aus sehen, das große klassische Gebäude aus weißem Stein mit einem eleganten Portal und einer Palme auf dem Hof, die sich im Sturm bog.
Museen hatten Georges schon immer gelangweilt. Nicht, dass er sich nicht für Kultur oder Geschichte interessierte. Dank seines ausgezeichneten Gedächtnisses war sein Allgemeinwissen bemerkenswert. Doch Museen hatten für ihn etwas furchtbar Einschläferndes. Durch schlecht beleuchtete Gänge schlurfen, sich die Nase an den Vitrinen plattdrücken, um dann Schildchen in Liliputanergröße zu entziffern, das alles nervte ihn ungemein. Das Erste, was Georges tat, wenn er in ein Museum ging, war, sich auf eine Bank zu setzen. Dort gab es immer Bänke, auf denen alte Leute saßen, wie die Spatzen auf der Stromleitung. Es gab auch immer Scharen von Jugendlichen, die in ihren Turnschuhen herumschlurften und immer laut redeten. Georges beobachtete sie. Er wusste, dass diese Rotznasen, die von Geschichte keine Ahnung hatten, die nichtstuenden Alten auf ihren Bänken bemitleidenswert fanden. Was die grinsenden jungen Leute aber nicht wussten, war, dass dieser Alte da in dem roten Fleecepullover überlegte, was er in der SMS an seine neue Flamme schreiben sollte. Oh, die hätten vielleicht dumm aus der Wäsche geschaut! Georges saß ganz allein auf der Bank und lachte still vor sich hin.
Charles kehrte zufrieden von seinem Besuch zurück und kaufte sich mindestens fünf Bücher über die Megalith-Reihen. Georges fragte die Dame an der Kasse, ob er vielleicht auch eine Taschenlampe in dem Museumsshop erwerben könne. Sie antwortete freundlich, dass das Prähistorische Museum derartige Artikel − erstaunlicherweise − nicht anbiete. Sie fuhren zurück zum Hotel, und endlich konnte Georges sich in einen der Korbsessel fallenlassen.
Donnerstag, 2. Oktober
Auray (Morbihan) –
Mûr-de-Bretagne (Côtes-d’Armor)
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Man kann sagen, dass der Augenblick, als Charles die Rechnung des Hotels erhielt, ein schwieriger Augenblick war. Sie hatten hier im wahrsten Sinne des Wortes gepfefferte Preise. Was er bei der Reservierung für den Gesamtpreis gehalten hatte, war in Wahrheit der Übernachtungspreis pro Person ohne Frühstück. Mit der Kurtaxe, den anderen Extras und zweimal Mittagessen war die Gesamtsumme schwindelerregend hoch. Als es ans Bezahlen ging, war Charles ziemlich beschämt. Oder vielmehr in dem Augenblick, als er Georges bat zu bezahlen, denn dieser spendierte schon die gesamte Tour. Was das Reisebudget im Allgemeinen anging, war es zwar sehr großzügig bemessen, aber bei allem, was er als »Extras« betrachtete, war er ziemlich knauserig. Es grenzte fast an ein Wunder, aber an diesem Morgen war er so guter Stimmung, dass er, ohne zu zögern, bezahlte. Obendrein schenkte er der Empfangsdame noch ein strahlendes Lächeln.
Der Grund dafür war die freudige Überraschung, als er auf dem Display seines Handys eine SMS von Adèle entdeckt hatte.
Adèle, 1.10.2008, 22.36 Uhr
Wollt immr schon nach Carnac. Schreib mir dn Namn des Hotls. Vl fahr ich 1 Tags dorthn. Man weiß ni! Bimo.
(Wollte immer schon nach Carnac. Schreib mir den Namen des Hotels. Vielleicht fahre ich eines Tages dorthin. Man weiß nie! Bis morgen.)
Wenn die Familie noch einmal in diesem Hotel übernachtete, konnte es nicht schaden, der Empfangsdame ein Lächeln zu schenken.
Charles wartete ungeduldig darauf, nach Auray zu fahren, wo er vor vielen Jahren schon einmal mit Thérèse gewesen
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