Denn dein ist die Schuld
besorgt. Machen Sie sich keine falschen Hoffnungen, Vincenzo: Das arme Geschöpf ist auf diese grauenvolle Weise ums Leben gekommen. Und wir werden nichts mehr von ihr finden. Ich begreife allerdings nicht, warum man uns ihre Kleidung finden ließ. Naivität oder vielleicht eine Botschaft …«
»Eine direkt an jemanden gerichtete Botschaft. Oder, und diese Annahme ist wahrscheinlicher, man bezweckte, dass die Medien darüber berichteten. Der übliche Zirkus … Porta a porta , La Vitain diretta , Talkshows und Magazinsendungen, die Nachrichten. Das ist praktisch wie Werbung und treibt den Preis in die Höhe. Das nehme ich jedenfalls an. Diese ›Sammler‹ sind bereit, jede Summe zu bezahlen …«
»Das glauben wir ebenfalls. Aber wir können uns keinen Reim auf den Tod des Jungen machen. Man hat beide Kinder gemeinsam entführt und sie dann getrennt. Seine Leiche wurde in einem Gehöft außerhalb Mailands gefunden, und die Untersuchungen haben bestätigt, dass man ihn dort eingeschlossen und später mit einer Überdosis Heroin getötet hat. Die Leiche des Mädchens ist an einem unbekannten Ort, und vielleicht wird sie nie gefunden. Von ihr hat man keine Spuren in dem Bauernhof entdeckt, nicht einmal in der Umgebung. Die Hunde hätten sie aufgespürt. Wir haben diesen Bauernhof Zentimeter für Zentimeter abgesucht, haben sogar die Wände mit Röntgenstrahlen durchleuchtet. Nichts. Jetzt müssen wir abwarten, dass diese beiden sich entschließen zu reden und dass sich die Ergebnisse der Abhörungen und der Anruflisten bestätigen.«
»Und der Pfarrer? Was machen wir mit dem? Er steht unter Hausarrest.«
»Vincenzo, über dieses Thema hält die Antimafia sich bedeckt. Es liegt alles in ihren Händen. Sie haben sich die Akte mit den Aussageprotokollen geholt. Aber ich habe durch eine Indiskretion erfahren, dass der Pfarrer nicht mehr der Morde verdächtigt wird. Der Hausarrest könnte auch eine Tarnung sein. Oder zu seinem Schutz. Wenn Sie jetzt ein wenig Zeit haben, kommen Sie doch bitte mit mir. Lassen Sie uns diese beiden Dreckskerle verhören.«
KAPITEL 77
Mittwoch, 7. März, 15:00 Uhr
Es gibt Augenblicke im Leben eines Polizisten, in denen er die ganze Last seines anstrengenden Berufs spürt. Diese Last steht immer im umgekehrten Verhältnis dazu, wie vergeblich seine Mühen waren.
Das begann schon damit, dass diese beiden Subjekte, die man mit dem halbtoten, in einen Plastiksack verpackten Organisten erwischt hatte, das Zeugnisverweigerungsrecht auf ihrer Seite hatten, welches das Gesetz jedem Beschuldigten zugesteht. Und sie machten davon Gebrauch.
Das von vier Ermittlern des Einsatzkommandos der Carabinieri in zwei getrennten Räumen geführte Verhör erbrachte nichts. Obwohl die Pflichtverteidiger ihren Mandanten rieten, wenigstens auf die unverfänglichsten und banalsten Fragen zu antworten und zumindest das Offensichtliche zuzugeben - schließlich hatte man sie auf frischer Tat ertappt -, beharrten diese beiden »Dreckskerle«, das heißt Andrea Della Volpe und Pasquale Scifo, auf ihrem Schweigen.
»Ich mache von meinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch«, wiederholten sie immer wieder.
Die Verteidiger, die nicht die Zeit gehabt hatten, sich mit der Situation ihrer Mandanten vertraut zu machen, konnten nicht sehr viel tun. Sie beschränkten sich also darauf, dazusitzen und nur ab und zu einzugreifen, wenn sie den Eindruck hatten, es würden irgendwelche Rechte verletzt. Und nicht einmal die üblichen Bullentricks zeigten Wirkung.
Hör mal, also dein Kumpel hat gestanden.
Du solltest lieber einen Deal aushandeln.
Du kannst Vergünstigungen bekommen, wenn du gestehst.
Wir gehen jetzt und werfen den Schlüssel weg.
Ruhe!
Hinter den nur einseitig transparenten Scheiben sahen Glauco Sereni und Vincenzo Marino mal bei dem einen, mal bei dem anderen Verhör zu, und sie begriffen, dass es sehr schwer sein würde, Informationen aus den beiden herauszubekommen.
»Etwas fürchten sie mehr als das Gefängnis«, sagte Marino.
»Oder sie haben zu viele Polizeiserien im Fernsehen gesehen.«
»Oder beides.«
»Ja, schon möglich.«
Die beiden Typen machten den Mund nicht auf. Das Gesetz war auf ihrer Seite. Und Ingegnere Simonella, der beschuldigt wurde, illegal Telefone abgehört zu haben, und den man im Verdacht hatte, in die Entführung seines eigenen Sohnes verwickelt zu sein, war auf freiem Fuß. Frei zu tun, was er wollte.
Er konnte Dokumente und Beweise vernichten.
Er konnte sich mit
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