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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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ihm jeden Moment zurückgeben könnten. Jetzt muss man sich fragen, wie lange sie ihn wohl am Leben lassen.«
    »Leo’, tu tieni a ccapa ch’è nu tribbunàle , du hast ausgesprochen, was mir ungeordnet durch den Kopf spukte. Das war eine ausgezeichnete Zusammenfassung der Lage. Ich füge nur noch eins hinzu: Wenn dieser unglückliche Ingegnere weiter am Leben bleibt, dann nur, weil er Gegenmaßnahmen getroffen hat.«
    »Vince, tu mir einen Gefallen, lass das endlich mit dem Dialekt. Das ist eine etwas irritierende Angewohnheit, schließlich sind wir in Mailand und nicht da drunten in Scampìa.«
    »Nimm dir nicht zu viel heraus, Leo’, okay? Wenn ich manchmal Lust habe, das, was mir gerade durch den Kopf geht, so auszudrücken, wie es kommt, dann sollte dich das nicht weiter stören. Ich bin aus Neapel, ich denke, träume und scheiße nun mal auf Neapolitanisch. Manchmal erinnere ich mich und die anderen gern daran. Tut mir leid, wenn dich das irritiert. Manche Gedanken lassen sich nicht übersetzen. Man muss sie so ausdrücken, wie sie einem gerade in den Kopf kommen und …« Marino ärgerte sich über sich selbst, weil er sich dafür rechtfertigte, und verstummte plötzlich. »Sag mir lieber, ob du irgendeine Vorstellung hast, was mit dem Baby passiert sein könnte.«
    »Ich würde lieber zuerst deine Meinung hören.«
    » Vabbuo’ . Alle Indizien, die wir haben, haben wir selbst gefunden, denn Luciano Simonella hat uns in keiner Weise geholfen. Wir wären jetzt schon viel weiter mit den Ermittlungen, wenn er uns gesagt hätte, was er wusste. Stattdessen hat er uns herumsuchen lassen wie Trüffelhunde. Das Kind ist erst sechs Monate alt. Mit jedem Tag seiner Entführung sinkt die Hoffnung. Und sein Vater schweigt. Ich habe meine eigene Vorstellung …«
    »Ich auch, aber sie ist zu schlimm, um sie auszusprechen!«
    »Dann, liebe Kollegin, bin ich überzeugt, dass wir dasselbe denken. Und deswegen muss sich jetzt die SCO einschalten. Und die Antimafia-Behörde. Wir allein mit der ordentlichen Staatsanwaltschaft haben da keine Chance, weil wir bei allem und jedem um Erlaubnis betteln müssen, Abhören, Durchsuchungen, Observierung … Und wenn wir schließlich genug Material gesammelt haben um … ich sage nicht etwa, um ein Hauptverfahren zu eröffnen, aber wenigstens für eine Anklage, die ein bisschen Untersuchungshaft rechtfertigt, dann wird der Beschuldigte von der Haftprüfung freigesetzt. Wenn allerdings die Zuständigkeit bei der Antimafia-Behörde oder bei der Bezirksstaatsanwaltschaft für Terrorismusbekämpfung läge, würde die Sache gleich ganz anders aussehen.«
    Auf Sandra Leonis Gesicht zeigten sich Zweifel und Unzufriedenheit. Ihrer Meinung nach schoss Marino am Ziel vorbei.
    Und mit der ihr eigenen Diplomatie machte sie ihn darauf aufmerksam.
    »Du spinnst doch, Vince! Was hat der Terrorismus damit zu schaffen? Wir haben überhaupt noch nicht kapiert, um was es eigentlich geht, und du sprichst von der Bezirksstaatsanwaltschaft für Terrorismusbekämpfung. Jetzt fehlt nur noch, dass du die Marine, die Luftwaffe und die Ehrengarde des Staatspräsidenten mit hineinziehst, dann könnten wir auch noch Gaddafi den Krieg erklären.«
    Ispettore Capo Marino verzichtete darauf, seine Stellung als Vorgesetzter herauszustreichen. Er begnügte sich mit einem Kopfschütteln.
    »Du enttäuscht mich, Leo’. Hier geht es darum, dass wichtige Persönlichkeiten aus allen Bereichen abgehört wurden. Politiker, Richter, Journalisten, Militärs, Verwaltungsbeamte. Etwas, dabei denke ich besonders an das Militär, was nur mit Zustimmung der Geheimdienste durchgeführt werden konnte. Und wenn mir das Wort ›Geheimdienste‹ durch den Kopf schwirrt, warum fällt mir dann sofort so etwas ein wie Bomben, Attentate, Ablenkungsmanöver, die Loge P2, die Organisation Gladio …«
    »Ich habe jetzt Hunger und gehe was essen. Bis dann.«
    Ihm blieb nicht mal mehr die Zeit für ein Ciao , so schnell war sie verschwunden.

KAPITEL 78
    Donnerstag, 8. März, 02:00 Uhr
    Jeder, der zum ersten Mal nach Mailand kam, besonders an nebligen Tagen, wurde unverzüglich von einem Gefühl beherrscht: Hier gab’s Probleme.
    Wegen allem und jedem.
    Probleme zu begreifen, wie der Verkehr verlief und warum man, wenn man nach rechts abbiegen wollte, immer nur nach links fahren durfte.
    Probleme, Fahrkarten für die öffentlichen Verkehrsmittel aufzutreiben, die man nur noch in wenigen U-Bahn-Stationen oder in einigen, immer weit von den

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