Denn dein ist die Schuld
durch.«
»Aber es sind doch drei große Fälle.« Marino zählte sie an seinen Fingern ab. »Die illegalen Mitschnitte von Telefonanrufen, die Della Setas, der kleine Simonella. Zwei der entführten Kinder sind mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr am Leben. Vom dritten fehlt jede Spur: absolute Funkstille. Nicht einmal die Informanten reden. Und niemand hat sich bisher mit einer Lösegeldforderung gemeldet. Aber wir wissen, dass das Kindermädchen kein Kindermädchen war, sondern eine slawische Prostituierte, die Frau eines Waffenhändlers. Und Prostituierte gewöhnen sich nicht leicht daran, das als Monatslohn zu bekommen, was sie sonst in wenigen Stunden verdienen. Außerdem ist sie nach der Entführung verschwunden und hat Kleidung und persönlichen Besitz zurückgelassen mit auffälligen biologischen Spuren, darunter Blut, die schwer zuzuordnen sind, da wir keine Möglichkeit für einen DNA-Vergleich haben. Und dann haben wir noch den Mordversuch an einem möglichen Zeugen. Und einen Pfarrer, der sich selbst der Vergewaltigung und Ermordung eines Mädchens bezichtigt hat … Alle drei Fälle sind untereinander durch mindestens ein Element verbunden. Brauchen wir noch mehr, um unsere Hintern zu bewegen und was zu unternehmen?«
Sandra Leoni kaute auf einem Kugelschreiber herum, mit dem sie Schnörkel in ihr Notizbuch gekritzelt hatte: Marinos Ausführungen klangen schlüssig.
»Und in dem ganzen Chaos ist Luciano Simonella frei und wird dies auch bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens bleiben, wenn es überhaupt eines geben wird«, erklärte sie mit neutraler Stimme. »Da es um eine schwerwiegende Beschuldigung geht, wir sprechen von Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zweck der Korruption und der Enthüllung von Dienstgeheimnissen, könnte er daran denken unterzutauchen …«
»Stimmt. Und vergessen wir auch nicht, dass Simonella sich durch das Abhören einen Haufen Informationen und vertrauliche, auch persönliche und äußerst sensible Daten besorgt hat, die eine Menge Leute betreffen. Lassen wir mal die Angestellten seiner Firma außen vor, den Akten zufolge scheinen auch hohe Beamte von örtlichen Behörden und Unternehmen, Richter, Journalisten, Politiker darunter zu sein - also wichtige Leute.«
Die Leoni schrieb etwas in ihr Notizbuch.
»Meinst du nicht, Vince, dass dieses Zeug in den Händen von jemand, der damit umzugehen weiß, Gold wert ist? Was auch immer mit diesen Informationen ursprünglich bezweckt werden sollte, ganz bestimmt wurden sie nicht gratis weitergegeben. Wir haben da einen durch Abhören von Telefongesprächen, Einsicht in Anruferlisten, SMS, MMS illegal ausspionierten Minister, und mehrere Bürgermeister wurden monatelang beobachtet durch Telefonate, E-Mails, sogar deren Bankdaten wurden aufgekauft … Weißt du, was ich denke?«
»Vielleicht dasselbe wie ich. Aber erzähl.«
»Ich glaube, das Ganze hat begonnen, als irgendjemand Mächtiges etwas über eine andere Person wissen musste und einen der Geschäftsführer der Telefongesellschaft um diesen Gefallen gebeten hat. Sagen wir mal, es war Simonella. Ich glaube, dass dieser Geschäftsführer nach dem ersten Abhören von Gesprächen Geschmack an der Sache gefunden hat und auf die Idee kam, diesen kleinen Gelegenheitsgefallen in ein Geschäft umzuwandeln. Irgendwann hat sich dieses Geschäft verselbstständigt, und neben der Telefongesellschaft ist eine zweite, illegale, im Untergrund arbeitende Firma entstanden, die sich aufs Abhören und Ausspionieren spezialisiert hat. Ich vermute weiterhin, dass unser unternehmungslustiger Manager, als er einmal in dieses Spiel eingestiegen war, wohl oder übel mit Leuten in Kontakt gekommen ist, die deutlich niederträchtiger sind als die üblichen Politiker. Vor allem deutlich gefährlicher. Und schließlich glaube ich, dass er durch Abhören und Ausspionieren in den Besitz von brisanten Informationen gekommen ist. Einerseits äußerst lukrativ, andererseits aber auch so gefährlich, dass die Auftraggeber sich unbedingt seiner Diskretion versichern wollten und ihm zu diesem Zweck die Eminescu in die Wohnung gesetzt und sein Baby entführt haben. Erinnerst du dich noch an den Satz, den wir abgehört haben? Was Simonella seiner Frau zugeflüstert hat? Wenn ich mich nicht irre, war es so etwas wie ›Giovanni kehrt zurück, ich weiß, wo er ist …‹ Der arme Narr! Wenn unser Verdacht stimmt, ist sein Kind längst tot. Aber sie werden ihn in dem Glauben lassen, dass sie es
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