Denn dein ist die Schuld
er schien sich mit einigen Rauchern um ihn herum ausgezeichnet zu verstehen.
»Tut mir leid, ich rauche nicht. Ich nehme einfach einen tiefen Zug aus der Luft hier, das reicht schon für den Kick.« Carmine lachte gern über seine eigenen Witze, und das war nun keiner seiner glücklichsten.
»Warum? Was ist denn mit dieser Luft, he? Du beschissener Sizilianer!«
Blitzschnell fand sich der Carabiniere in Zivil von vier zugedröhnten Riesenkerlen umringt. Er bekam noch aus dem Augenwinkel mit, wie der Türsteher des Nadir schnell im Lokal verschwand und die Tür verriegelte.
»He, das war nur ein Witz, was habt ihr denn kapiert?«
»Dass du ein Bulle bist, das haben wir kapiert.«
»He, was?« Carmine witterte die Gefahr und machte einen Satz nach hinten, bereit loszurennen, aber er kam nicht schnell genug vom Bürgersteig weg.
Die vier kreisten ihn ein. Bevor das Lächeln aus seinem Gesicht gewichen war, traf ihn schon der erste Schlag. Ein brutaler Kinnhaken mit einem Schlagring brach ihm den Unterkiefer.
Der lähmende Schmerz brachte ihn ins Schwanken, er fiel zu Boden, rollte sich zusammen und versuchte seine Muskeln möglichst stark anzuspannen, schützte seinen Kopf und das Gesicht mit den Händen, während ein Fußtritt sein Knie traf und ein anderer direkt seine Stirn, so dass er bewusstlos wurde.
Bis zum Rand abgefüllt mit Kokain, aufgepumpt mit Anabolika und Hormonen wie Kampfstiere, traten ihn die vier systematisch zusammen. Als der Streifenwagen kam, den der eine neuerliche Schließung des Lokals befürchtende Geschäftsführer der Diskothek gerufen hatte, atmete Carmine Micciché nicht mehr. Zweiundzwanzig Jahre alt, ein Carabiniere, der in den Norden gekommen war, »weil es südlich von Rom viel zu riskant ist, wenn man eine Uniform trägt«.
Das Nadir wurde vollkommen abgeschottet.
Der Tod eines Carabiniere, selbst wenn er nicht im Dienst war, konnte mit Recht eine Razzia und die dauerhafte Schließung des Lokals bedeuten, selbst wenn der Carabiniere auf der Straße davor zusammengeschlagen wurde. Um die schlimmsten Folgen abzuwenden, war der Geschäftsführer sofort kooperativ. Und zwar so kooperativ, dass er sich aus dem Stand an die Namen von zweien der vier Schläger erinnerte. Er hatte sie auf der Gästeliste: Namen, Vornamen und Adressen.
Sie waren Gäste der Motorradfahrer, sagte er. Aber da er ihren Ruf kannte, hätte er sie eigentlich ausschließen müssen. Zwei Schlägertypen, die nichts als Ärger im Kopf hatten und die Frauen belästigten. Ihre Kumpels dagegen schienen sich in Luft aufgelöst zu haben. Keiner der ordentlichen Mitglieder des Bikerclubs erinnerte sich an ihre Namen.
Der Fall war gelöst: Als die Carabinieri sie in ihren mit Hakenkreuzen, Standarten, Ketten, Totenschädeln, Schlagringen und Ähnlichem geschmückten Zimmern festnahmen, schliefen die beiden Naziskins einen festen Drogenschlaf. Einer von beiden hatte sogar auf einer mit einem schwarzen Tuch bedeckten Konsole eine Art Altar errichtet, auf dem die Büsten von Mussolini und Hitler standen. Der andere hatte in seiner Sporttasche ein Waffenarsenal versteckt.
Beide hatten faschistische Symbole mit denen des Satanismus gemischt. Schwarze Kerzen, auf den Kopf gestellte Kruzifixe, die Zahl 666 mit roter Farbe auf die Wand geschrieben, vermeintlich Blut, sollte sich aber als Lippenstift herausstellen, Strähnen von weiblichen Kopf- und Schamhaaren, ausgebleichte Tierknochen.
Gott mit uns!
Die beiden nannten einander Acido und Klaus, die gleichen Nicknames benutzten sie auch im Chat. Als man sie in die Kaserne der Carabinieri brachte und dort strengen, nicht gerade freundlichen Verhören unterzog, erwiesen sich die beiden als weit weniger hart, als ihr Aussehen vermuten ließ.
Anfangs schoben sie sich gegenseitig die Schuld zu. Bei einer Gegenüberstellung, beide hatten diverse Wunden: aufgeplatzte Lippen, abgeschürfte Augenbrauen, eine gebrochene Nase und eine genähte Wunde auf der Wange, erklärten sie sich allerdings bereit, als gute Kameraden gemeinsam die Verantwortung für den Mord zu übernehmen. Und sie nannten nicht nur die Kampfnamen der beiden anderen Täter, Mastino und Fritz, sondern ließen den Staatsanwalt, der sie wegen Vergehen, die das halbe Strafgesetzbuch gefüllt hätten, anklagte, durch ihre Verteidiger wissen, dass sie zu einem Deal bereit seien und wertvolle Informationen gegen ein wenig Milde eintauschen würden. Zum Beispiel: wenn man ihnen nur einen fünfhundertachtundachtzig,
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