Denn dein ist die Schuld
falschen Papieren.
Marino war verblüfft. Konnten diese Leute wirklich so dumm sein, das noch in der Fußnote anzugeben? Unten besagte nämlich eine handschriftliche Notiz: »Die Namen mit einem Fragezeichen sind so auf ›Papieren‹ vermerkt - man muss die Privatsphäre der Kameraden respektieren.«
Marino kamen diese Anführungszeichen bei dem Wort Papiere wie ein Wink mit dem Zaunpfahl vor. Entweder waren sie verrückt oder so naiv wie kleine Kinder.
Auf jeden Fall waren sie gefährlich.
Bei den ebenfalls vorhandenen Anschriften war es ähnlich.
Die Carabinieri hatten an die Dokumentation biografische Angaben zu einigen Personen angehängt und herausgefunden, dass diese bei Gericht Stammkunden und mehrfach vorbestraft waren.
KAPITEL 98
Donnerstag, 22. März, 11:00 Uhr
»He, Vince, mir geht da etwas durch den Kopf, aber ich kann es nicht genau eingrenzen.«
»Bist du durch die Namen auf etwas gekommen? Mir sagen sie nicht viel, außer dass wir eine Herde Idioten vor uns haben. Schau mal hier: Dieser Luca Carovento hat sich als Spitznamen ›Arschstein‹ ausgesucht.«
»Mir sagt dieser Pietro Maccaro, Spitzname ›Wasserratte‹, irgendetwas. Das kann natürlich ein Zufall sein, aber wenn dieser Name etwas mit der Person zu tun hat …«
»Wasserratte! Stimmt. Da klingelt bei mir auch etwas. Die beiden, die das Baby entführt haben. Lass mich mal in der Akte nachsehen …«
Der Ispettore holte den dicken Ordner und überflog die zeitlich geordneten Dokumente der Ermittlungen.
»Da ist es: Nelea Eminescus Beschreibung der Täter.« Er zitierte: »›Ich sehe, wenn sie kommen. Ich nicht glaube, sie kommen, um Giovanni mitnehmen, sonst ich wäre weggelaufen. Ich aber sehe, einer klein und breit, anderer groß und slimmest . Wie heißt? Ganz dünn. Der Dünne hat Haare in Pferdeschwanz.‹ Und da beschreibt sie es noch einmal deutlicher: ›Lange, dünne Pferdeschwanz und Haare ganz fest mit Gel. Schwanz sieht aus wie Schwanz von Ratte und bewegt sich mit Kopf, und er hat mir auch hier auf die Haut geschlagen.‹ Und dann folgt noch eine Beschreibung: ›Alle beide haben gekleidet schwarze Mäntel, schwarze Brillen. Ich nicht gut sehe ihre Gesichter, aber dünner Mann hatte hier‹, sie fasste sich ans Kinn, ›Haare sehr spitz, lang und dünn.‹ Das ist ja wohl eine äußerst präzise Beschreibung einer Wasserratte.«
»Sicher, Vince, aber vergessen wir dabei nicht, dass die Eminescu uns angelogen haben könnte. Das wäre ganz in ihrem Interesse gewesen. Aller Wahrscheinlichkeit nach war sie ja ihre Komplizin …«
»Gute Lügner betten ihre Lügen immer in einen wahren Kontext ein. Doch noch jemand hat so eine Beschreibung geliefert. Ich erinnere mich, weil ich schon damals beim Zuhören gedacht habe, es könnte sich um die gleiche Person handeln, die die Eminescu uns beschrieben hat …« Vicenzo Marino blätterte wieder in der Akte.
»Ich weiß schon, wen du meinst. Susie … ich meine, die Ivanova.«
»Genau, da ist es: Du hast sie befragt, und ich war nebenan im Aquarium und hörte zu.«
Ispettore Marino las vor: »S.L.: Würdest du ihn auf einem Foto wiedererkennen? L.I.: Ja, ganz bestimmt, ja. Ich kenne gut sein Gesicht, und dann … S.L.: Und dann? Erzähl weiter! L.I.: Und dann man kann nicht verwechseln: Er hat sehr wenig und sehr lange Haare. Zu Pferdschwanz gebunden. Und dieser Pferdschwanz ist eingeschmiert, voll mit glänzender Creme, so er hängt glatt herunter wie Schwanz von Ratte. Er sich nennt Kurt, ich glaube. Aber er ist Italiener. S.L.: Du meinst also, du würdest ihn wegen seiner Haare wiedererkennen? Aber Haare kann man färben oder abschneiden. L.I.: Oh nein, er nicht! Haare sehr, sehr wichtig für ihn, und er lässt niemand an seinen hässlichen Schwanz. Kann nie abschneiden.«
»Ja gut, es sieht wirklich aus, als würden die beiden Frauen den gleichen Mann beschreiben. Aber ich möchte dich darauf hinweisen, dass die Eminescu und die Ivanova einander kannten und dass dünne gegelte Pferdeschwänze heute bei Gangstern groß in Mode sind. Und auch Zigeuner in hohen Positionen tragen so etwas.«
»Richtig. Aber wir sind im Vorteil. Die Ivanova kennt diesen Typen. Wenn wir ihn erwischen, können wir eine Gegenüberstellung organisieren.«
»Vince, ich glaube, wir sind da ein wenig zu vorschnell. Wir haben einen Naziskin mit dem Spitznamen Wasserratte, und gleich fantasieren wir uns zusammen, dass es sich um den gleichen Mann handelt, der den kleinen Simonella entführt
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