Denn dein ist die Schuld
hat, nur weil zwei junge Frauen, die einander außerdem kannten und sich daher genauso gut aus irgendwelchen Gründen abgesprochen haben könnten, ihn so beschreiben, dass man dabei an eine Wasserratte denkt. Komm, das ist doch im wahrsten Sinne des Wortes an den Haaren herbeigezogen!«
»Stimmt, aber wir müssen selbst den schwächsten Spuren nachgehen …« Marino ordnete die Papiere, die er aus der Akte genommen hatte, wieder ein.
»Die Spur kommt mir nicht schwach, sondern absurd vor …«, meinte die Leoni und rümpfte die Nase. »So verlieren wir nur Zeit.«
»Leo’, Ermittlungen beinhalten immer viel vergeudete Zeit und viel Ärger. Aber wir können nicht anders. Jetzt müssen wir es mit dieser Wasserratte versuchen. Da ist auch die Adresse. Und da es den ehrenwerten Verein erst seit kurzem gibt, ist sie wahrscheinlich noch aktuell. Die Ivanova hat uns erzählt, der Mann heiße Kurt, und schon passt es. Diese Idioten können zwar wahrscheinlich kein Wort Italienisch ordentlich zu Papier bringen, aber sie lieben die deutsche Sprache. Schaun wir mal. Gehst du da selbst hin? Und nimmst du Pogliani und Ragazzoni mit?«
»Besser Ragazzoni, der ist groß und kräftig. Wenn es sich wirklich um den gleichen Mann handelt, den uns die Ivanova beschrieben hat, könnte er gefährlich sein. Und ich möchte nicht auf ihn schießen müssen, weil er mich mit einer Doppelaxt in der Hand erwartet.«
»Nimm mit, wen du willst, aber geh heute oder spätestens morgen zu ihm. Ich denke, dass jeden Moment die CD-ROMs mit den Telefonmitschnitten kommen können, und dann liegt viel Arbeit an. Immer angenommen, dass die SCO sie mit uns teilen will und nicht in letzter Minute beschließt, uns selbst die Stellen vorzuenthalten, die sie nicht interessieren.«
Marino war da skeptisch. Auch Ispettrice Leoni knabberte zweifelnd an ihrer Unterlippe.
»Ich sehe, dass du dir in etwas nicht sicher bist, mir geht es genauso.«
»Sag schon!«
»Ich denke an unseren Tenente Colonnello …«
»Red weiter. Wenn wir beide immer so viele Treffer landen, sollten wir mal zusammen Lotto spielen. Könnte sich lohnen.«
»Bleib bitte ernst, Vince. Ich meinte nur, seine Bereitschaft, uns alle Informationen zur Verfügung zu stellen, macht mich misstrauisch. Er ist zu freundlich für einen Carabiniere. Ich glaube, das tut er nur, weil er sich von uns viel mehr erwartet, als er uns zu geben bereit ist …«
KAPITEL 99
Donnerstag, 22. März, 12:30 Uhr
Jemand hatte aus einer Telefonzelle die Feuerwehr angerufen.
Anonym. Er oder sie klang aufgeregt.
»Hier in der Via delle Pioppe riecht es grässlich, anscheinend kommt der Gestank aus der Bar Dany . Die ist seit einigen Tagen geschlossen. Sehen Sie bitte nach, dieser Gestank ist unerträglich.«
»Nennen Sie mir bitte Ihren Namen.«
Klick. Aufgelegt.
Die Einsatzzentrale der Feuerwehr leitete den Anruf auch an die Carabinieri weiter, die wiederum direkt ihre Funkstreifen informierten. Deshalb trafen in der Via delle Pioppe zeitgleich ein Wagen der Feuerwehr und mehrere andere Fahrzeuge ein.
Den Feuerwehrleuten, die mit einem Rettungswagen gekommen waren, genügte es, kurz das Seitenfenster zu öffnen, um festzustellen, dass der Anruf kein Scherz gewesen war. Sie sprachen sich mit den Carabinieri ab, die zur gleichen Zeit eingetroffen waren.
»Verstanden!«, meinte der Chef der Funkstreife und hängte sich ans Mikrofon.
»Einundsiebzig an Zentrale. Wir brauchen Verstärkung. Verdacht auf fünf-sieben-fünf in der Via delle Pioppe, Papa-India-Oskar-Papa-Papa-Echo, Hausnummer siebenunddreißig. Bar Dany. Delta-Alfa-November-Yankee. Ich wiederhole: Verdacht auf fünf-sieben-fünf.«
Verwesungsgeruch lag in der Luft, das deutete darauf hin, dass sich dort drinnen eine Leiche befand. Daher lag die Vermutung nahe, es könnte sich um Mord handeln. Artikel fünfhundertfünfundsiebzig des Strafgesetzbuches.
»Hier Zentrale. Verstanden, einundsiebzig. Benötigen Sie einen Krankenwagen?«
»Wir überprüfen das. Das Lokal ist geschlossen. Der Gestank ist unerträglich.«
»Gut. Bleiben Sie vor Ort.«
Die Feuerwehrleute schnitten ohne weitere Umstände das Rollgitter der Bar mit einem Schweißbrenner auf und schlugen die Glasscheibe mit ihren Äxten ein, woraufhin explosionsartig eine enorme Wolke Verwesungsgeruch die Luft erfüllte.
Alle griffen unverzüglich zu ihren Gasmasken, Schutzanzügen und Handschuhen.
Als Erste betraten die Feuerwehrleute die Bar, da sie am besten ausgerüstet waren.
Weitere Kostenlose Bücher