Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
Vom Netzwerk:
ich bin bereit. Du musst nur reinkommen und dich hier hinsetzen.«
    »Die Freunde meiner Mutter …« Sandra Leoni sprach sehr leise, aber er verstand jedes Wort.
    »Was?« Marino hatte nicht erwartet, sofort ein vertrauliches Geständnis zu hören. Plötzlich fiel ihm auf, dass er gar nichts über sie wusste.
    »Die Männer, die meine Mutter nach Hause brachte und die dann eine Woche, einen Tag, einen Monat blieben … Sie hatte keine gute Hand bei ihrer Auswahl, und sie hätte nie daran gedacht, dass mich einer von ihnen belästigen könnte. Der letzte blieb zwei Jahre. Ich war elf, als mein Vater an Krebs starb. Sie hat ihn gepflegt, das muss man ihr hoch anrechnen. Aber schon wenige Tage nach der Beerdigung zog bei uns ein anderer Mann ein. Ich habe sehr schnell begriffen, dass die beiden schon vor dem Tod meines Vaters zusammen waren.
    Als es das erste Mal passierte, war ich zwölf, und es war mein Geburtstag. Ich bin überzeugt, dass sie davon wusste, aber sie hat nichts dagegen unternommen. Vermutlich hat sie mich sogar benutzt, um Kerle zu halten. Diese Hände überall auf meinem Körper …
    Mit vierzehn stand mein Entschluss fest: Ich würde Polizistin werden, um zu lernen, mich selbst zu schützen. Als ich achtzehn und damit volljährig war, bin ich noch an meinem Geburtstag zum Notar gegangen, um alle notwendigen Schritte einzuleiten, damit ich das Erbe meines Vaters antreten konnte. Zum Glück hatte er einen Treuhandfonds für mich angelegt, an den sie nicht rankam.
    Ich stellte fest, dass es viel Geld war. Zumindest für mich, denn ich hatte selten mehr als ein bisschen Kleingeld in der Tasche. Auf jeden Fall genug, um damit das Gymnasium zu beenden und danach zu studieren.
    Sobald ich in den Polizeidienst getreten war und über ein sicheres Einkommen verfügte, habe ich Akten und Pfandbriefe zu Bargeld gemacht und mir damit die Wohnung gekauft, in der ich lebe. Das ist die Geschichte meines Lebens. Und ihr Ende ist ebenso simpel und vorhersehbar wie all diese Geschichten: Ich habe Angst vor Männern. Angst vor ihren geheimen Absichten, Angst vor ihrem Lächeln, Einladungen, Annäherungsversuchen. Verzeih mir, Vince. Das ist ein Reflex. Das hat nichts mit dir persönlich zu tun. Es ist, als würde in meinem Inneren ein Mechanismus ausgelöst, sobald ich merke …«
    »Ist schon gut. Du musst dich nicht entschuldigen. Ich habe schon verstanden. Und deine Mutter? Wie ist euer Verhältnis jetzt? Siehst du sie noch?«
    »Ich würde dir gern sagen können, dass ich sie seit dem Tag, an dem ich bei ihr ausgezogen bin, nie mehr besucht habe. Aber wir sind hier nicht in Amerika. Italien ist nicht groß genug, irgendwann läuft man sich doch über den Weg …
    Wir haben uns zunächst beim Notar wegen der Erbschaft wiedergesehen. Und dann vor Gericht, jede mit einem Anwalt, weil sie Ansprüche darauf erhob. Ein Jahr später ist meine Großmutter gestorben, und wir haben uns bei der Beerdigung wiedergetroffen. Sie sah alt aus, verlebt. Sie tat mir leid. Seit damals telefoniere ich ab und zu mit ihr, um mich zu erkundigen, wie es ihr geht. Sie hat genug Geld, auch für sie hatte mein Vater vorgesorgt, und weil sie nicht dumm ist, hat sie ihren Teil gut verwaltet. Aber nach Turin, wo wir früher gewohnt haben, bin ich nie mehr gefahren. Ende der Geschichte. Wechseln wir das Thema. Wie, meinst du, bekommen wir die SCO dazu, dass sie uns die CD-ROMs aushändigen? Sie haben doch die Hand auf der Akte mit den illegalen Telefonmitschnitten, oder?«
    »Das schaffen wir schon, Leo’, das schaffen wir schon«, Marino klang ganz sanft. » Tu assa ffa’ a Maronna! - Lass mich mal machen. Im Übrigen gibt es schon wieder ein neues Rundschreiben. Von unserem lieben Freund Sereni.« Der Ispettore Capo reichte der Leoni eine Akte. »Wir können ja zusammen einen Blick darauf werfen.«
    Die Akte enthielt eine Zusammenfassung der Ermittlungen über die Neonazi-Zelle »Sangue Nero Onore Bianco«. Marino ging die Blätter der Reihe nach durch und reichte sie dann seiner Mitarbeiterin. Die Verhöre von Mitgliedern hatten nicht viel gebracht. Diese Wirrköpfe waren nicht sehr gesprächig. Und ihr Wortschatz war etwa so reichhaltig wie der eines Schimpansen. Aber immerhin hatten sie es geschafft, eine Liste mit den Mitgliedern zu erstellen. Neben den Kampfnamen waren die bürgerlichen Namen verzeichnet, allerdings stand hinter einigen ein Fragezeichen, das hieß, man kannte den richtigen Namen nicht, und der angegebene stammte aus

Weitere Kostenlose Bücher