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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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diese Gefallen. Und jedes Mal, wenn eine neue Forderung an mich gestellt wurde, war ein Ausschnitt aus dem Video angehängt. Ich hatte mir sogar angewöhnt, morgens ganz früh aufzustehen und den Posteingang durchzusehen, da ich befürchtete, jemand könnte dies vor mir tun. Dann wurde Ivan entführt …«
    Don Andrea und Don Mario saßen einander am Küchentisch gegenüber. Der junge Pfarrer stützte die Ellenbogen auf, verbarg den Kopf in den Händen und schluchzte.
    Don Mario blieb regungslos sitzen und wartete darauf, dass der Schmerz in seiner Brust nachließ. Als die Kapsel ihre Wirkung entfaltete, streckte er eine Hand aus und berührte die seines Hilfspfarrers leicht.
    »Jetzt sage ich dir, was wir beide tun werden. Wir rufen die Carabinieri her, erklären ihnen die Situation und übergeben ihnen den PC. Ich bin sicher, dass es ihnen irgendwie gelingen wird, die gelöschten Mails zu finden.«
    »Don Mario, man wird mich beschuldigen, dass ich diesen armen Jungen entführt und getötet habe. Was wird aus meiner Mutter? Wenn ich ins Gefängnis muss …«
    »Dieses Risiko musst du eingehen, Andrea. Du hast dich eines unverzeihlichen Leichtsinns schuldig gemacht. Ich hatte dich doch gewarnt, oder? Keinen zu vertraulichen Umgang mit den Jungen. Du bist in die Falle getappt, und irgendjemand hat das ausgenutzt. Wenn es wirklich so war, wie du sagst, und du unschuldig bist, dann hast du auch nichts zu befürchten. Erinnerst du dich noch an die Namen der Jungen, die an diesem Tag bei dir waren? Wer hätte diese Fotos machen können?«
    »Es war ein Video. Das könnte jeder gewesen sein. Viele Leute haben teure Handys oder Digitalkameras mit Videofunktion.«
    »Du warst doch nicht allein mit dieser Rasselbande unterwegs, oder? Welche Erwachsenen haben dich begleitet?«
    »Zwei vom Chor. Maestro Lovati, den anderen kannte ich nicht. Außerdem war da noch Leonardo … Aber die sind nicht einmal in die Nähe des Wassers gekommen, sondern haben sich in den Schatten eines Felsens gesetzt. Ich habe Angst, Don Mario …«
    »Keine Sorge, Andrea. Ich glaube, dass die Carabinieri schon etwas vermuten. Du bist in eine von langer Hand geplante Falle gegangen. Wie spät ist es?«
    »Kurz vor sechs.«
    »Zeit für den Rosenkranz. Beruhige dich, und geh in die Kirche. Danach komm wieder zu mir. Ich warte auf dich.«
    Don Andrea wagte nicht, sich dem Pfarrer zu widersetzen. Er war noch nie in der Lage gewesen, dessen Autorität zu trotzen. Er stand auf, schnäuzte sich geräuschvoll und ging ins Bad, um sich das Gesicht zu waschen. Dann verließ er das Haus, ohne noch einmal in die Küche zu gehen. Er wirkte wie ein Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank.
    Don Mario sah ihn durch den Flur laufen und hörte, wie sich die Tür hinter ihm schloss. Er würde sich sein Leben lang daran erinnern, wie beschämt Don Andrea den Raum verließ.
    Denn er sah ihn in diesem Augenblick zum letzten Mal lebend.
     

KAPITEL 101
    Donnerstag, 22. März, 19:00 Uhr
    Don Andrea starb allein.
    Todesursache war einer dieser Herzinfarkte, die auch jüngere Leute so plötzlich treffen, dass sie nicht einmal einen Notarzt rufen können. Das stellte zumindest der Gerichtsarzt am folgenden Tag während der Autopsie fest: Tod durch Herzstillstand aufgrund eines Myokardinfarktes.
    Ein klarer Fall.
    Zwei Tage später wurde der Totenschein ausgestellt und die Leiche zur Bestattung freigegeben.
    Don Mario wurde von seiner Zugehfrau informiert, die seit einiger Zeit regelmäßig abends noch einmal vorbeikam, um für ihn zu kochen und nachzusehen, ob er etwas brauchte. Elvira war in Don Andreas Wohnung gegangen, weil seine Mutter für einige Tage verreist war. Sie hatte ihn in seinem Arbeitszimmer über dem Schreibtisch zusammengesunken gefunden. Vor ihm lag ein Blatt Papier, aber er war nicht mehr dazu gekommen, etwas aufzuschreiben. Wahrscheinlich war ihm plötzlich schlecht worden, das sah man an den Flecken auf Hemd und Hose.
    Er hatte versucht, alles herauszulassen und sein Gewissen zu erleichtern, aber das Einzige, was er noch von sich geben konnte, war sein Mageninhalt gewesen.
    Don Mario, dem es dank der Medikamente wieder besser ging, fühlte sich in der Lage, in Begleitung der Frau den Hof zu überqueren. Schon auf der Schwelle schlug einem der typische Geruch des Todes entgegen. Als er das Arbeitszimmer betrat, hatte er keine Zweifel mehr. Für Don Andrea kam jede Hilfe zu spät. Zumindest für seine sterblichen Überreste.
    Während die in Tränen aufgelöste

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