Denn dein ist die Schuld
Zugehfrau die Ambulanz anrief und versuchte, Don Andreas einzigen Bruder zu benachrichtigen, der in diesen Tagen die Mutter zu sich genommen hatte, schloss Don Mario dem Toten die halb geöffneten Augen. Er sprach die Worte der Absolution post mortem und segnete den Leichnam. Dann öffnete er der Reihe nach alle Schreibtischschubladen, bis er das Gesuchte fand: die Schlüssel zu Don Andreas Spind in der Garderobe der Turnhalle.
Er steckte ihn ein und wartete auf den Rettungswagen, den Elvira gerufen hatte.
KAPITEL 102
Freitag, 23. März, 15:00 Uhr
Ispettore Marino erhielt die Kopien der in Ingegnere Simonellas Safe gefundenen CD-ROMs, etwa ein Dutzend, zusammen mit den Listen der Anrufe von den illegal abgehörten Festnetz- und Mobiltelefonen, auf den Schreibtisch. Insgesamt ungefähr fünfzig.
Er bemerkte, dass in den Listen einige Zeilen mit schwarzem Filzstift unkenntlich gemacht worden waren.
»Die von der DDA schotten sich doch immer mehr ab«, war Sandra Leonis Kommentar. »Sie nehmen sich, was sie für ihre Ermittlungen brauchen, und das war’s dann. Ihr Vorgehen erinnert mich an eine Freundin meiner Mutter. Wenn die abgelegte Kleidung an ihr Hausmädchen verschenkte, trennte sie vorher alle Knöpfe, Schnallen und Bänder ab …«
»Ach was, Leo’, die haben doch nur die Teile durchgestrichen, die Personen aus anderen laufenden Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen betreffen. Wir können sie immer noch bitten, uns die Originale zur Verfügung zu stellen. Ich denke, bevor wir uns die CDs anhören, sehen wir erst mal die Anruflisten durch. Vielleicht bringt uns ja irgendein Name auf eine Idee. Hier.« Marino teilte den dicken Papierstapel, auf dem Namen, Abkürzungen und Nummern in Spalten eingetragen waren, in zwei Hälften und verteilte sie unter ihnen beiden: »Chiste so pe’ tte e chille so’ pe’mme.«
Es wurde eine mühsame Kleinkramarbeit, Gift für die Augen, und sie saßen das gesamte Wochenende daran, da sie jeden Namen aus den Anruflisten mit denen in den Ermittlungsakten vergleichen mussten.
Zum Glück beinhaltete das Dossier über Luciano Simonella eine Kladde, in der man im Verlauf der Ermittlungen die Namen der Personen notiert hatte, die aus irgendeinem Grund in den Fall verwickelt waren. Dadurch wurde ihnen die Suche sehr erleichtert.
Marino und die Leoni holten sich die Beamten Ragazzoni und Pogliani dazu, und alle vier gingen das komplizierte Gewirr aus selbst getätigten und angenommenen Gesprächen der abgehörten Teilnehmer durch.
Acht Monate Anrufe von Festnetztelefon zu Festnetztelefon, von Handy zu Handy, von Festnetz zu mobil und umgekehrt.
Eingehende und ausgehende Gespräche.
Natürlich nach dem Datum geordnet.
Tag für Tag.
Sie begannen mit den Namen.
Zum größten Teil vollkommen Unbekannte. Aber ab und zu tauchte auch ein Prominenter auf. Politiker auf Landesebene und aus den Regionen, Geschäftemacher, Journalisten, große Tiere aus der Finanzwelt, Fernsehstars … es wäre interessant gewesen zu hören, was die einander zu erzählen hatten.
Es dauerte zwei Tage, bis Sandra Leoni, als sie schon überzeugt waren, dass ihre Arbeit Zeitverschwendung wäre, plötzlich aufschrie.
»Da haben wir’s!«
Es war Sonntagnachmittag. Marino und sie saßen allein in seinem Büro, da Ragazzoni und Pogliani sich eine Auszeit genommen hatten.
»Der taucht auch in unseren Akten auf. Das kann kein Zufall sein. Sie haben ihn abgehört, weil er … Rat mal, mit wem er gesprochen hat?«, fragte die Leoni aufgeregt.
»Lass mich mal sehen«, Marino stand auf und umrundete den Schreibtisch.
»Der Name sagt mir nichts.«
Sandra Leoni fuhr mit dem Fingernagel darüber und hinterließ eine feine Spur auf dem Papier. »Er ist in unserem Fall kaum in Erscheinung getreten, aber versuchen wir es wenigstens, Vince. Schnappen wir uns die CD-ROMs mit den Gesprächsaufzeichnungen und hören sie an einem ruhigen Ort ab.«
»Zu dir oder zu mir?« Diesmal hatte Marinos Bemerkung nichts Zweideutiges, und Sandra Leoni reagierte auch nicht darauf.
»Bei dir, denn mein PC ist wirklich nicht so gut. Außerdem sollten wir besser das Zeug von hier wegbringen, ehe jemand sieht, wonach wir suchen.«
KAPITEL 103
Montag, 26. März, 09:00 Uhr
Der Bericht, den er gemeinsam mit dem Antrag auf Erhalt der IMEI-Daten und Anruflisten von Lucio Lovati vom 1. Dezember 2006 an einreichen wollte, war endlich fertig. Er enthielt nur das Nötigste, um Dottor Carlo Maria Salvini die
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