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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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gestritten?«
    »Sie haben doch auch gesehen, wie Giulio ist, oder? Er regt sich wegen jeder Kleinigkeit gleich schrecklich auf.« Don Mario betrachtete den blauen Fleck, ein mehr als deutliches Zeichen dafür, dass dem Mann öfter mal die Hand ausrutschte.
    »Warum bleibst du dann bei Giulio, Annamaria? Warum arbeitest du bis zum Umfallen, um ihm seine Laster zu finanzieren?«
    Annamaria schüttelte nur den Kopf. »Er hat seine Fehler, das stimmt, aber ich mag ihn. Und dann versuchen Sie mal, Giulio aus der Wohnung zu jagen! Der schlägt mich tot.«
    Dagegen gab es keine Argumente. Kopfschüttelnd wandte sich Don Mario zur Tür.
    »Ich gehe jetzt. Ruf mich an, wenn du etwas hörst. Jederzeit. Als ich an der Küche vorbeikam, habe ich dort eine Tafel gesehen. Ich schreibe dir dort meine Telefonnummern auf, die vom Handy und die vom Pfarrhaus. Informier mich sofort, wenn es etwas Neues gibt, verstanden?«
    »Das mache ich.«
    Annamaria wandte sich ab. Dieses weitere Verhör hatte sie erschöpft.
    »Hör mir gut zu, Annamaria, ich mag Ivan sehr gern«, sagte Don Mario, als er in der Tür stand. »Und ich verspreche dir, dass ich alles dafür tun werde, ihn und seine kleine Schwester wiederzufinden. Außerdem ist er unser einziger Solist. Und was für einer! Der Leiter des Chors und der Organist würden es mir nie verzeihen, wenn ich ihn nicht zurückbringe.«
    »Ich komme jedes Mal zur Messe, wenn der Chor singt, wissen Sie?« Annamaria hatte sich plötzlich umgedreht und aufgesetzt. »Auch zu den Totenmessen. Mein Ivan ist wirklich begabt!«
    Voller Stolz, dass Don Mario so gut über ihren Jungen redete, während sie in ihrem Leben nie Lob gehört hatte, schaute sie mit Tränen in den Augen zu Don Mario auf, was ihn tief bestürzte.
    Wie eine Mater dolorosa , dachte er, während er die Wohnung verließ. Sie mag hässlich, heruntergekommen, dumm und vulgär sein, aber sie ist immer noch eine Mutter.
     

KAPITEL 14
    Mittwoch, 7. Februar, 15:30 Uhr
    Giovanni war sechs Monate alt. Sein moldawisches Kindermädchen Nelea Eminescu hatte ihn gerade aus dem Kinderwagen genommen, um zu sehen, ob er gewickelt werden musste.
    Es war halb vier nachmittags. Nelea war mit dem Kind in den Park an der Porta Venezia gegangen, und jetzt war sie mutterseelenallein mit ihm dort, obwohl die Grünanlage mitten im Stadtzentrum lag. Schließlich war dies nicht gerade der ideale Tag für einen Spaziergang im Park. Sogar draußen an der Piazza Venezia sah man auf den Bürgersteigen kaum einen Menschen. Auf dem gefrorenen Schneematsch rutschte man leicht aus, und der pechschwarze Himmel drohte noch mehr Schnee über Mailand auszuschütten.
    Nelea ging mit dem Kleinen jeden Tag nach draußen, bei jedem Wetter. Ihre Arbeitgeber waren Gesundheitsfanatiker und ermutigten sie, das Baby so viel wie möglich an die frische Luft zu bringen. Um es abzuhärten, sagten sie. Und vielleicht hatten sie sogar Recht damit, denn Giovanni war gesund und kräftig und widerstandsfähig wie eine junge Weide. Er aß, schlief und wurde größer und produzierte hektoliterweise Pipi.
    Doch man konnte es auch übertreiben.
    Aber in seinem Schneeanzug aus einer Hightechfaser, die für skandinavische Länder entwickelt war, hatte Giovanni bis vor fünf Minuten friedlich geschlafen, als er begonnen hatte, leise zu wimmern. Hungrig konnte er nicht sein, denn bis zu seinem Fünfuhrfläschchen waren es noch anderthalb Stunden hin.
    Wahrscheinlich hatte er nasse Wíndeln.
    Nelea nahm ihn hoch, zog den Reißverschluss zwischen seinen krummen Beinchen einige Zentimeter herunter und befühlte die Windel sorgfältig. Das lenkte sie so ab, dass sie die zwei Leute, die auf sie zurannten, nicht bemerkte. Die beiden kamen blitzartig hinter einer Ecke des Naturwissenschaftlichen Museums hervor und hatten sich schon auf sie gestürzt, bevor sie überhaupt erkennen konnte, ob es sich um Frauen oder Männer handelte.
    Schwarze Hosen, schwarze Kampfstiefel, lange Mäntel aus dickem Stoff, schwarze, tief in die Stirn gezogene Wollmützen, dunkle schmale Sonnenbrillen: Vielleicht hatten sie zu oft Matrix gesehen. Sie unterschieden sich nur in der Statur: Einer der beiden war groß und spindeldürr und hatte einen dünnen, mit Gel versteiften, langen Pferdeschwanz, der wie eine Art Kurzschwert unter der Mütze hervorragte. Der andere Mann war untersetzt und um einiges kleiner. Sie sahen ein wenig aus wie Asterix und Obelix verkehrt. Allerdings hatte ihr blitzartiger Überfall gar nichts

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