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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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gestehen. Deshalb bin ich hier.«
    »Ich höre.«
    Diese beiden Worte wirkten wie ein Sesam-öffne-dich, und ein Abgrund des Grauens tat sich auf. Am liebsten hätte Don Mario sie sofort wieder zurückgenommen, als er sich diese perversen Schändlichkeiten anhören musste.
    Zu viel Verkommenheit selbst für einen Pfarrer mit fünfzig Jahren Erfahrung als Beichtvater. Er hätte aus diesem hölzernen Kasten fliehen mögen, doch das verhinderten die violette Stola, die er um den Hals trug, und die Furcht, die seine Gliedmaßen lähmte. Wie erstarrt blieb er sitzen, ihm wurde heiß und kalt hinter dem Vorhang, denn trotz seines Alters und seiner Erfahrung fand er keine Möglichkeit, als abzuwarten, bis dieser Jauchestrom versiegte.
    Endlich schwieg der Mann im Beichtstuhl. Don Mario öffnete die Augen, die er instinktiv geschlossen hatte, und er musste sich ziemlich anstrengen, bis seine Stimme kräftig genug war, um die rituelle Frage zu stellen. »Warum hast du dich nicht dem heiligen Ort der Versöhnung genähert?«
    »Das ist unwichtig. Hauptsache, ich bin jetzt hier.«
    »Ich kann dir die Absolution nicht erteilen, wenn du dich nicht stellst und du mir versprichst, dass du diese schrecklichen Dinge, die du getan hast, nie wieder tun wirst.«
    »Ich habe sie nicht selbst getan, ich habe, wie soll ich das nennen, nun ja, ich habe sie organisiert. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied.«
    »Du wusstest, was du tust. Dir war bewusst, was aus deiner Planung entstehen würde. Du trägst die volle moralische Verantwortung dafür. Du musst dich stellen.«
    »Ich werde mich nicht stellen, Don Mario. Das kann ich weder Ihnen noch Gott versprechen.«
    »Dann kann ich dir auch nicht die Absolution erteilen. Entferne dich sofort von diesem heiligen Ort und dem Gotteshaus, das du entweihst.«
    »Ist es Ihnen auch vollkommen gleichgültig, dass ich bald wieder Verbrechen begehen muss?«
    »Oh Herr!« Don Mario entwich plötzlich die gesamte Luft aus der Lunge, und er rang um neuen Atem. Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Natürlich bedeutet es mir etwas. Aber wenn ich es schon nicht verhindern kann, sollte ich lieber nicht wissen, was du vorhast.«
    »Wenn es Ihnen wirklich etwas bedeutet, Absolution hin oder her, sollten Sie besser anhören, was ich Ihnen zu sagen habe.«
    Don Mario entschlüpfte ein leises Stöhnen. Mehr ein lautloser Seufzer.
    »Sprich, ich höre.«
    »Ich habe auf den Befehl gewisser Leute gehandelt. Und das war nichts im Vergleich zu dem, was wieder geschehen wird. Es gibt eine Art Entscheidungsgremium, und ich bin machtlos. Ich kann sie nicht aufhalten. Ich kann nur ihren Befehlen nachkommen, sonst … Und auch mein Tod würde niemandem etwas nützen …«
    »Du meinst, du trägst keine Verantwortung …«
    »Ich meine, dass sie genauso begrenzt ist wie meine Macht.«
    »Warum stellst du dich nicht? Warum teilst du den Behörden nicht mit, was du weißt? Das wäre eine Möglichkeit …«
    Ein gekünsteltes Lachen. Keuchen.
    »Sie wissen nicht, was Sie da sagen, Pater. Ich habe schließlich auch Kinder … Außerdem …«
    »Außerdem?« Don Mario hielt den Atem an, um die schweren Schmerzen im Brustkorb zu unterdrücken, die über seinen gesamten Rücken ausstrahlten. Das war ihm seit über einem Jahr nicht mehr passiert. Ihn packte die Angst, dort im Beichtstuhl zu sterben. Doch so heftig der Druck auf seiner Brust auch war, er wünschte sich sogar den Tod herbei. Nach kurzer Zeit allerdings gewann sein Überlebensinstinkt die Oberhand. Er kramte in seinen Taschen, bis er die Nitroglyzerinkapseln fand, schob eine in den Mund und zerbiss sie. Dann wartete er darauf, dass der Schmerz nachließ und sein Atem sich normalisierte. Inzwischen hatte der Mann hinter dem Gitter wieder begonnen zu reden.
    »Mein Tod und der meiner Familie wären nutzlos. Sie würden weitermachen … Ersatz für mich finden. Und wissen Sie was? Für solche Geschäfte stehen eine Menge Leute bereit.«
    »Ich frage dich noch einmal. Warum bist du gekommen? Was erwartest du dir von diesem heiligen Ort?«
    »Davon erwarte ich mir nichts, aber Sie könnten etwas für mich tun, Pater.«
    »Die Absolution ist nicht …«
    »Behalten Sie Ihre Absolution. Ich will etwas anderes von Ihnen.«
    »Sprich.«
    »Jetzt treiben sie es zu weit. Der ganze Mechanismus ist außer Kontrolle geraten. Ich will sie aufhalten. Will verhindern, dass das da … wieder geschieht. Aber dazu brauche ich etwas Luft. Und dazu gibt es nur eine

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