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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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prüfend im Raum um, um sich jedes Detail einzuprägen und einen möglichen Fluchtweg auszumachen, als sie jemand plötzlich am Arm packte.
    Ihr Führer wollte sicher sein, dass sie ihm folgte.
    »Hier entlang.«
    »Lass mich los!«, zischte sie ihm zu und versuchte die Hand abzuschütteln, doch der Griff wurde nur fester.
    »Los, komm.« Nach einem Slalomlauf zwischen Separees, kleinen Säulen und Sofas, die im ständig wechselnden Dämmerlicht aussahen, als würden sie wild tanzen, stand Sandra Leoni vor einer weiteren gepanzerten Tür, diesmal mit der Aufschrift »Privat«.
    Privatzimmer im Privatclub, dachte sie und unterdrückte ein nervöses Kichern. Ihr fitnessgestählter Führer drückte auf einen versteckten Knopf, kurz darauf öffnete sich die Tür und führte die Besucher in einen Raum, der endlich normal beleuchtet war. Geblendet musste Sandra Leoni zwinkern.
    Das Zimmer war eine Art von Büro mit einer Gesprächsecke. Auf einer Seite des Raumes befanden sich ein Schreibtisch, mehrere Karteikästen aus grauem Metall, gegenüber standen ein dreisitziges Sofa, ein Sessel, ein Barwagen aus Holzimitat und ein Teetischchen.
    Hässliche, zum größten Teil schäbige Möbel, Dutzendware. Ein Mann zwischen vierzig und fünfzig saß am Schreibtisch und schien gerade Rechnungen und Lieferscheine zu überprüfen. Als sie hereinkam, sah er nicht einmal auf. Auf dem Sofa saßen ein jüngerer Mann, ungefähr fünfunddreißig oder vierzig Jahre alt, und eine Frau mit slawischen Gesichtszügen.
    Sandra blieb nicht einmal die Zeit, sich umzuschauen, da sie ihr Führer buchstäblich in das Zimmer stieß und ohne ein Wort verschwand.
    Ich sitze in der Falle, dachte sie und hielt unwillkürlich nach dem Türdrücker Ausschau.
    »Ist sie das?«, fragte der ältere Mann und ignorierte die Besucherin völlig.
    »Ja, das hat sie an der Sprechanlage gesagt«, antwortete der Mann auf dem Sofa, der mit seinem rasierten Schädel, dem Bart à la Dschingis Khan, dem Goldkettchen um den Hals und dem Hemd aus glänzendem Stoff das Bild eines klassischen Zuhälters bot. Sandra fiel auf, dass seine Hose offen stand, anscheinend hatte ihm die Frau neben ihm die Wartezeit verkürzt.
    »Bist du Lenij?«
    »Da« , antwortete Sandra. »Lenij. Oder Kristall, wenn du willst.«
    »Du verstehst gut Italienisch? Wir haben uns am Telefon unterhalten.«
    » Da . Ja. Ich verstehe.«
    »Zieh dich aus!«
    » Niet . Nein.«
    Der Mann zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, und sein Kiefer verkrampfte sich zornig.
    »Was hast du gesagt, Schlampe?«
    »Ich gesagt, dass ich nicht ausziehe Kleider. Nicht gratis.«
    Der Kiefer entspannte sich, und ein lautes Lachen hallte durch den Raum. Sandra seufzte erleichtert: Es war die richtige Antwort gewesen.
    »Sehr gut, du geile Sau!«, sagte der Mann, erhob sich mühsam vom Sofa und ging zu ihr, ohne sich erst die Mühe zu machen, die Hose zu schließen. »Lass dich wenigstens ein bisschen abtasten, Baby. Ich muss sehen, ob darunter alles echt ist.«
    Die Leoni blieb reglos stehen. Ihrem Gesicht war nichts anmerken.
    »Bitte, hier ist Ware.«
    Als sie zurückkam, blieb Ispettrice Leoni eine halbe Stunde in der Dusche und drehte hektisch die Wasserhähne auf und zu. Heiß, kalt, heiß, kalt, heiß, kalt. Selbst als der Boiler leer war, war sie noch nicht zufrieden. Aber sie konnte niemanden dafür verantwortlich machen, schließlich hatte sie selbst auf diesem Undercover-Einsatz bestanden.
    Als sie das Bad verließ, hing der Raum so voller Dampf, dass sie meinte, durch Nebelschwaden zu waten. Im Morgenmantel, die Haare in einen Frotteeturban gewickelt, ging sie in ihr winziges Wohnzimmer. Sie nahm ihre Handtasche und suchte nach der Papierserviette, auf die dieser widerliche Kerl, dieser Santo, einfach nur Santo, Baby, eine Telefonnummer gekritzelt hatte.
    Nach dem dritten Klingeln meldete sich eine Frauenstimme. Auf Rumänisch.
    »Wer immer du bist, ich hoffe, du hast einen sehr guten Grund, um so spät noch zu stören. Wer bist du? Wer hat dir diese Nummer gegeben?« Ein einziger Wortschwall.
    Hahaha, gar nicht so dumm, dieser Santo, dachte Sandra. In Moldawien wurde Rumänisch gesprochen. Und er will wirklich sicher sein, dass ich auch bin, was ich gesagt habe.
    Ein echte osteuropäische Nutte. Stumm bedankte sie sich bei ihrer Mutter, die ganz gut Rumänisch sprach, und bei ihrer Großmutter, die diese Sprache benutzte, um bei den Einkäufen auf dem Schwarzmarkt bessere Preise herauszuholen. In dem Dorf

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