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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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erhob sich der Pfarrer von der Bahre.
    »Sturköpfiger Pfarrer!«, brummte sein Assistent, während er ihm beim Anziehen half. »Das bedeutet aber, wir werden ein Auge auf Sie haben und …«
    »Oh nein. Ich weiß genau, was ich tue. Kümmere du dich nur um deine Jungen, Andrea.«
    Darauf stiegen der alte und der junge Pfarrer ohne ein weiteres Wort in den Fiat Panda, um zum Pfarrhaus zurückzufahren.
    Es war eine eiskalte Nacht, viele Sterne am Himmel, nur ein leichter Wind ging.
    In Mailand konnte man selbst in klaren Nächten die Sterne kaum erkennen. Die dicke Decke aus Staub, Rauch, Dampf, die Erde und Himmel trennte, hob sich niemals ganz. Außerdem lenkten die vielen Lichter, die die Nacht erhellten, von ihnen ab. Doch um diese Zeit hatte der Nordwind den ganzen Dreck weggefegt und die Sterne blank geputzt.
    Die schlafende Stadt um diese Zeit mit dem alten Panda zu durchqueren, der wie ein Porsche dröhnte, vermittelte beiden Männern ein zeitloses Gefühl von Einsamkeit, das jedoch nichts Melancholisches hatte und sich bei jeder Begegnung mit einem anderen Wagen verstärkte. Ein kurzes Aufblitzen von Scheinwerfern, dunkle Schatten hinter der Windschutzscheibe, und kaum war das weiche Surren der Reifen auf dem Asphalt verstummt, versank die Stadt wieder in ihr stilles Rauschen, diesen dumpfen, unverwechselbaren, aus der Mischung von Tausenden Geräuschen entstehenden Klangteppich, den nur jemand für Stille halten kann, der noch nie erfahren hat, was Stille wirklich bedeutet.
    Um diese Zeit wirkt die Stadt wie eine menschenleere Kathedrale, dachte der alte Pfarrer und ließ sich in den bequemen Autositz zurücksinken. Diese Ruhe tut gut.
    Um diese Zeit jagt Mailand einem Angst ein, dachte der junge Pfarrer. Hinter den Mauern der Häuser geschehen schreckliche Dinge. Ich weiß, dass es so ist und dass niemand etwas dagegen tun kann.
    Da kaum Verkehr war, dauerte ihre Fahrt nicht lange.
    Als sie im Pfarrhaus waren, bestand Don Mario darauf, dass sein Hilfspfarrer ihn allein ließ.
    »Du musst heute um sieben Uhr die Messe lesen, Andrea. Ich möchte mich ein wenig ausruhen, da ich um elf Uhr einen Termin mit dem Komitee der Caritas habe, und am Nachmittag ist Katechismusunterricht.«
    »Don Mario, Sie müssen sich ausruhen, sonst nichts. Das Treffen der Caritas kann an einem anderen Tag stattfinden, und wegen des Unterrichts, darum können sich die Katechisten kümmern. Zur Not kann man auch zwei Klassen zusammenlegen. Sie sollten sich heute nicht von hier wegbewegen.«
    »Einverstanden.«
    Don Mario gab sofort nach, da er sich schwach und verwirrt fühlte. Außerdem hatte ihn der Anfall geängstigt.
    »Ruf den Ansprechpartner der Gruppe an, und sag ihm, er soll den Übrigen Bescheid geben. Aber mein Unwohlsein erwähnst du bitte nicht. Erklär ihnen nur, dass ich verhindert bin. Wegen des Katechismusunterrichtes reden wir später.«
    Don Andrea nahm seinen Sieg wortlos zur Kenntnis, aus Angst, der alte Pfarrer könnte es sich noch einmal überlegen. Er half ihm beim Ausziehen und überzeugte sich, dass er sich auch wirklich ins Bett legte. Danach löschte er das Licht und ging in die Küche, um dort eine Nachricht für die Zugehfrau zu schreiben.
    Don Mario geht es nicht gut, er schläft jetzt. Seien Sie bitte leise. Don Andrea.
    Er sah im Kühlschrank nach, ob Milch für das Frühstück da war, und da er schon einmal dabei war, füllte er auch gleich die Futternäpfe der beiden unersättlichen Katzen, die sofort angeschossen kamen, als sie die Kühlschranktür hörten. Dann ging er leise und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
    Als Don Mario dieses Geräusch hörte, stand er auf. Ein wenig mühsam zog er sich wieder an und ging in die Küche, um sich dort einen Malzkaffee zu kochen. Er konnte es sich jetzt nicht erlauben, im Bett zu bleiben.
    Er sah zu, wie Tea und Meo sich vollstopften, als wäre dies ihre letzte Mahlzeit. Das taten sie immer am frühen Morgen. Vielleicht stammte diese Fressgier ja von ihren Vorfahren unter den Raubtieren, die nach der nächtlichen Jagd im Morgengrauen ihre Beute verschlangen. Er streichelte über ihre wohlgenährten, durchgebogenen Rücken und wurde mit einem gutturalen Schnurren belohnt, das durch die Hast, mit der sie ihre Fischhäppchen verschlangen, ruckartig kam.
    Auf seinem Gang durch die Küche bemerkte er die mit einem Magneten am Kühlschrank befestigte Nachricht für die Putzfrau. Er nahm sie ab, knüllte sie zusammen und warf sie in den Müll. Dann ging

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