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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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er in sein Arbeitszimmer, wobei er die Tür für seine geliebten Katzen offen stehen ließ.
    Der alte Pfarrer blieb lange regungslos am Schreibtisch sitzen, der nach Möbelpolitur und Staub roch, den Kopf in die Hände gestützt, die Füße auf einem Holzschemel, inmitten einer Stille, die seine Gedanken unerträglich laut erscheinen ließ. Als er sich aufraffte, wurde es gerade hell. Er holte einen Packen Papier mit dem Briefkopf der Pfarrei aus einer Schublade und begann zu schreiben.
     

KAPITEL 54
    Donnerstag, 22. Februar, ca. 20:00 Uhr
    Don Mario fühlte sich wie eine Seele im Fegefeuer. Mehr durch ein ungewöhnliches Gefühl vollkommener Erschöpfung ans Haus gefesselt als wegen der Ermahnungen seines Hilfspfarrers, war er dort den ganzen Tag ruhelos auf und ab gelaufen. In der verschlossenen Schreibtischschublade lag ein ziemlich dicker Umschlag. Der Brief, den er am frühen Morgen geschrieben hatte. Vielleicht würde er ihn noch am gleichen Abend einwerfen.
    Vielleicht.
    Nach außen hin wirkte der Pfarrer ruhig, doch ihn quälte eine schneidende Spannung, die seine Gedanken in winzig kleine, herumwirbelnde Fetzen zerriss, wie Konfetti, die aus Versehen im Schleudergang einer Waschmaschine gelandet sind. Und er versuchte vergeblich, diese Fragmente zu erhaschen, um etwas Vernünftiges daraus hervorzubringen. Sein Kopf weigerte sich stillzustehen. Alles hing jetzt von der Entscheidung ab, die er treffen würde. Was auch immer geschah, er würde auf jeden Fall die Gemeinde verlassen und sich an einen unbekannten Ort zurückziehen müssen.
    In eine Einsiedelei.
    An einen Ort, den ihm sein Bischof bestimmen würde.
    Bilder eines kahlen Zimmers, einer Kirche, eines Gartens zogen sich durch seinen Kopf wie die Einzelbilder eines Films. Und wirkten unglaublich beruhigend auf seinen aufgewühlten Verstand.
    Als Don Mario das Pfarrhaus verließ, war es Zeit für die Abendandacht.
    Nach dem kurzen Gottesdienst betete das Grüppchen übereifriger Frauen aus der Pfarrgemeinde den Rosenkranz, die sich jeden Tag mit ihren spitzen Zungen um das Privileg stritten, die Mysterien zu lesen. Don Mario wartete ab, dass die Kirche sich vollends leerte, bevor er sich in den Beichtstuhl setzte.
    An diesem Abend kniete dort niemand in Erwartung von spiritueller Hilfe auf der Bank. Kein Kopf erschien hinter dem Gitter.
    Nach einer halben Stunde auf dem unbequemen Bänkchen, der Pfarrer fühlte schon, wie seine Beine taub wurden, ließ ihn ein Flüstern zusammenfahren.
    Die Stimme begann mit der klassischen Formel. Doch diesmal war er schneller.
    »Jetzt reicht es!«, zischte Don Mario durch das Messinggitter. »Sagen Sie, was Sie zu sagen haben. Ich werde nicht zulassen, dass Sie diesen heiligen Ort hier weiter entweihen!«
    »Pater, kommen Sie mir nicht so!« Die Stimme auf der anderen Seite klang ruhig. »Wenn ich mich nicht irre, sind Sie es, der mir etwas zu sagen hat.«
    »Zuerst will ich Sicherheiten.«
    »Ich kann Ihnen keine Sicherheit geben. Sie müssen mir vertrauen.«
    »Sagen Sie mir wenigstens, was geschieht, wenn ich nicht tue, was Sie von mir verlangen.«
    »Sie planen, sich weitere Kinder zu holen. Und zwar in den nächsten Tagen.«
    »Hier … in diesem Gemeindezentrum?« Beinahe hätte er gesagt: »in meinem Gemeindezentrum«, aber er konnte es gerade noch zurückhalten.
    »Keine Ahnung. Das glaube ich nicht. Aber was macht das für einen Unterschied?«
    »Ich sehe nicht, wie meine, äh … Beichte … dieses Grauen aufhalten sollte. Warum sollten diese Leute aufhören?«
    »Weil Ihre sogenannte Beichte einige Details enthalten würde, die Sie glaubwürdig machen. Sie, Pater, müssen nur zugeben, dass Sie sich … na ja … mit dem Mädchen zurückgezogen haben, das Ihnen jemand nach Hause gebracht hat. Ich werde Ihnen gleich die Einzelheiten liefern. Und zumindest anfangs werden die Behörden Ihnen glauben und loswalzen wie Bulldozer. Es herrscht eine sehr angespannte Atmosphäre wegen des Falls.«
    »Und wie kann ich unbeschädigt aus der Angelegenheit hervorgehen? Es geht mir dabei nicht so sehr um mich, aber dadurch würde ein schlechtes Licht auf das Zentrum, auf die Gemeinde fallen. Die Arbeit eines ganzen Lebens …«
    »Seien Sie nicht so scheinheilig!« Die Verachtung in der Stimme traf Don Mario wie ein Peitschenhieb mitten ins Gesicht. Wieder überfiel ihn hinterrücks dieser Schmerz in der Brust. Doch die Stimme hinter dem Gitter nahm keine Rücksicht auf den keuchenden, pfeifenden Atem.
    »Sie sorgen

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