Denn ewig lebt die Liebe
früher darauf gekommen?" fragte er gespielt verärgert. "Seit Monaten begegnen wir uns fast täglich und ich, ich freue mich jedesmal darüber, wenn sie mich anlächeln. Doch ich habe mich nie getraut, sie anzusprechen, ich meine privat. In der Praxis, als Doktor Pauling noch da war, da haben wir kaum einmal ein Wort gewechselt."
"Auch da waren sie bestimmt kein Stammgast", wandte Melanie ein. "Mehr als zweimal im Jahr haben wir sie nicht zu Gesicht bekommen. Einmal hatten sie sich mit der Sense an der Hand verletzt und das andere Mal war ihnen so übel, dass ich sie mit dem Auto des Doktors zurückfahren musste. Können sie sich noch erinnern?"
"Natürlich erinnere ich mich", gab Werner errötend zu. "Sie glauben gar nicht, wie unangenehm mir das damals war, dass ich nicht Manns genug war um mir selbst zu helfen. Ich bin sicher, dass mir die Geschichte ewig in Erinnerung bleiben wird."
Jetzt lachte Melanie herzlich. "Typisch Mann", stellte sie fest und ging langsam weiter. "Keiner kann zugeben, dass er auch nur ein Mensch ist. Und wenn doch mal einer drunter ist, der es zugeben kann, dann ist er schon wieder das andere Extrem."
"Wie meinen sie das?" Werner folgte ihr und faßte sie an der Hand. "Was ist das andere Extrem?"
Melanie blieb erneut stehen und wandte sich zu ihm um. Jetzt standen sie sich gegenüber und blickten sich direkt in die Augen. "Das andere Extrem sind die Männer, die sich toll finden indem sie ständig behaupten, nicht so zu sein wie die anderen, sondern viel gefühlvoller, viel sensibler, und auch einmal zugeben können, dass sie schwach und hilflos sind."
"Und das finden sie schlimm?"
"Es kommt auf die Situation an", antwortete Melanie nach kurzer Überlegung. "Manche Männer glauben, auf diese Tour reisen und sich damit alle Türen bei einer Frau öffnen zu können. Das mag vielleicht eine Weile gut gehen, doch irgendwann wird selbst das verliebteste Mädchen hellhörig, manchmal jedoch leider zu spät. Dann hat sie schon unterschrieben und ist gefangen bis ans Lebensende."
"Und zu welcher Kategorie, glauben sie, gehöre ich?"
"Dafür kenne ich sie zu wenig", antwortete die junge Frau errötend. "Und das, was ich bis jetzt von ihnen weiß, scheint in der Mitte zu liegen, auch wenn sie versuchen, das Gegenteil zu beteuern."
"Woraus schließen Sie das?", fragte er schmunzelnd. Diese kleine Diskussion machte ihm richtig Spaß, gleichzeitig gewann er auf diese Weise einen noch besseren Einblick in das Seelenleben seiner Begleiterin. Und er stellte fest, dass das, was er sah, ihm immer besser gefiel.
"Eben aus dieser einen Begebenheit. Als ich sie damals heimfuhr, zuckten sie mit keiner Wimper. Anstandslos ließen sie sich zu Bett bringen und das Medikament verabreichen. Erst jetzt erzählen sie mir, wie schwer ihnen das gefallen ist." Melanie lächelte ihn an. "Zufrieden mit dieser Erklärung?"
"Ja, ich bin zufrieden. Ich möchte zu keinem der beiden Extremen gehören", gab er zu. "Darf ich ihnen jetzt auch sagen, was ich von ihnen denke?"
"Nur zu. Ich bin auf alles gefaßt." Sie hielt den Atem an. Was würde jetzt kommen?
"Sie sind das bezauberndste Mädchen, das mir je über den Weg gelaufen ist."
Irrte sie sich, oder hatte seine Stimme mit einem Mal einen ganz anderen, einen weichen, ja fast zärtlichen Klang bekommen? Nein, das war gar nicht möglich. Und doch war sie überzeugt davon, sich nicht verhört zu haben.
Als sein Gesicht sich dem ihren näherte und sie seine Lippen auf den ihren spürte, da wußte sie, dass sie sich nichts eingebildet hatte. Sie schloß die Augen und gab sich ganz dem süßen Gefühl der Verzauberung hin, wünschte sich jetzt nur, einfach die Zeit anhalten zu können.
* * *
Als die Anzeige in der Rothenhusener Kreiszeitung erschien, herrschte helle Aufregung im Doktorhaus. Morgen war Praxiseröffnung, und bis dahin musste alles fertig sein. Weder Doktor Hofmann noch seine Sp rechstundenhilfe Melanie mochten zugeben, dass sie dem großen Ereignis mit ziemlich gemischten Gefühlen entgegensahen.
"Niemand wird kommen. Ich weiß es, auch wenn sie ständig das Gegenteil behaupten, Melanie", wiederholte Dr. Hofmann wohl schon zum zehnten Mal.
"Die Leute werden es sich nicht nehmen lassen, den neuen Arzt von Haselheide zu inspizieren", entgegnete Melanie, die die Aufregung ihres Arbeitgebers nur zu gut verstehen konnte. Die Leute vom Land waren ein etwas anderer Menschenschlag als die Städter. Das wußte sie aus Erfahrung. Und da Melanie
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