Denn ewig lebt die Liebe
richtigen Worte einfallen. Alles klang aufgesetzt und ausgedacht, denn tief in ihrem Innern ahnte sie bereits den Verlauf des morgigen Tages. Mit ziemlicher Sicherheit würde es den so gefürchteten und gleichzeitig vom Doktor ersehnten Ernstfall nicht geben, außer es geschah ein Unglück. Und darauf wollte Melanie nun ganz gewiß nicht hoffen.
Auch bei Tisch gab es kein anderes Gesprächsthema als die morgige Praxiseröffnung. Sogar Natja und auch die vierjährige Tanja beteiligten sich eifrig an der Unterhaltung. Es gab öfter lautes Gelächter, und auch Dr. Hofmann wirkte gelöst und irgendwie zufrieden. Nur in seinem Innern war nicht alles so aufgeräumt wie es den Anschein hatte.
* * *
Am späteren Nachmittag, Melanie Gruber hatte die Arztpraxis bereits verlassen, läutete es an der Haustür. Dr. Hofmann saß gerade bei einer Tasse frisch aufgebrühtem Kaffee in der Küche und blätterte in einer Fachzeitschrift, die am Morgen mit der Post gekommen war.
Er merkte deutlich, dass er mit den Gedanken gar nicht richtig bei der Sache war, sondern sich immer wieder in den schlimmsten Alpträumen verlor, die stets nur die morgige Praxiseröffnung betrafen.
"Herr Doktor, Frau von Melhus ist im Sprechzimmer. Sie sagt, sie hätte versehentlich einen Brief von ihnen erhalten, den sie ihnen persönlich überbringen und sich bei dieser Gelegenheit gleich vorstellen möchte." Ingeborg Blatt bemühte sich, ein möglichst unbeteiligtes Gesicht zu machen. Dennoch überstürzten sich in ihrem Kopf seltsame Gedanken, die sie niemals laut werden lassen durfte.
Dr. Hofmann erhob sich sofort. "Ist sie vielleicht schon eine neue Patientin?" Er zwinkerte der Haushälterin zu. "Wie alt ist die Dame?"
Ingeborg blinzelte zurück. "Um die dreißig", antwortete sie, "genau weiß ich es nicht. Doch sie sieht sehr gut aus. Ich denke, sie wird ihnen gefallen." Die letzten Worte hätte die Frau am liebsten wieder zurück-genommen, denn sie merkte, wie der Arzt sofort ernst wurde. "Keine Chance", sagte er nur, als hätte er ihre heimlichen Gedanken erraten. Dann verließ er eilig die Küche.
"Frau von Melhus?"
Die Angesprochene wandte sich um. "Herr Doktor Hofmann?" Sie reichte ihm die Hand zur Begrüßung, die beinahe widerwillig ergriffen wurde. "Ich wollte ihnen nur diesen Brief geben, der heute früh versehentlich bei uns abgegeben wurde."
"Danke." Alexander nahm den Brief und legte ihn auf seinen Schreibtisch, ohne auf den Absender zu achten. "Sie hätten sich nicht selbst herbemühen müssen. Ein Anruf, und meine Tochter hätte ihn abgeholt."
Claudia von Melhus fühlte sich zurückgestoßen, ihr nachbarlicher Besuch schien seine Wirkung verfehlt zu haben. "Ich bin Apothekerin." Sie bemühte sich, freundlich zu bleiben. "Und da unsere Johannesapotheke die einzige in Haselheide ist dachte ich, dass ich mich schon mal vorstellen sollte. Immerhin werden wir in nächster Zeit hin und wieder miteinander zu tun haben."
Dr. Hofmann merkte, dass er die Besucherin verletzt hatte. Er wußte selbst nicht, was auf einmal in ihn gefahren war. Er benahm sich doch sonst nicht so rüpelhaft. Dieses Verhalten mussten wohl Ingeborg Blatts Worte ausgelöst haben.
"Entschuldigen sie, bitte, Frau von Melhus, dass ich mich nicht richtig verhalten habe. Im Moment bin ich etwas uneins mit mir, denn eigentlich müßte ich glücklich sein, dass endlich einmal jemand aus dem Ort überhaupt Notiz davon nimmt, dass es mich gibt." Er versuchte ein Lächeln, das jedoch etwas mißlang.
Sofort war Claudia versöhnt. "Das ist hier am Anfang immer so", gestand sie fröhlich. "Die Nordlichter sind ein wenig stur. Diese Erfahrung werden sie im Laufe der Zeit bestimmt machen. Doch davon dürfen sie sich nicht schrecken lassen."
"Das sagt sich so einfach", murmelte Dr. Hofmann und seufzte gespielt auf. "Möchten sie eine Tasse Kaffee? Frau Blatt hat vorhin erst frischen aufgebrüht?"
Claudia lehnte dankend ab. "Für Kaffee ist es schon zu spät. Ich kann danach immer so schlecht einschlafen."
"Soll ich Ihnen etwas dafür verschreiben", wagte der neue Arzt von Haselheide einen Scherz. "Ist ihnen Chemie lieber oder etwas Natürliches?"
Claudia lachte herzlich. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgend jemand vom Ort ihnen auf Dauer widerstehen kann." Sie blickte ihn offen an, und was sie sah, gefiel ihr ausgesprochen gut. Seit Achims Tod hatte sie niemanden mehr so interessiert angesehen.
Dr. Hofmann hatte einen sportlichen, durchtrainierten Körper,
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