Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
beiden Autos standen dort. Beide waren so zerstört, dass wohl niemand überlebt haben konnte. Wären sie früher von Monticello losgefahren, wie Iso gedrängelt hatte, wären sie vielleicht schon an dieser Stelle gewesen, als der Unfall geschah, und ihr Auto würde jetzt bei den anderen Wracks stehen.
Eliza konnte sich nicht verkneifen, das laut auszusprechen, allerdings ohne Iso zu erwähnen. Hoffentlich würde ihre Tochter den Zusammenhang selbst erkennen. »Wären wir früher losgefahren, wären wir bei dem Unfall vielleicht genau hier gewesen.«
»Dann wäre wenigstens mal was passiert«, sagte Iso. »Sonst war ja den ganzen Tag nichts los.«
Monticello hatte sich als ziemliche Pleite erwiesen. Iso wollte die ganze Zeit mit den Kopfhörern ihres iPhones herumlaufen, und als Peter ihr das verbot, stampfte sie derart gelangweilt bei der Führung mit, als wollte sie dadurch alle bestrafen. Albie spürte die Launen seiner Schwester und hatte Probleme, das alte Haus auf sich wirken zu lassen, wobei seine vagen Vorstellungen über Thomas Jefferson keine Hilfe waren. (Nach der Hälfte der Führung stellte sich heraus, dass er dachte, sie würden das Haus von George Washington besichtigen. Eliza und Peter mussten ihm wirklich mehr über amerikanische Geschichte beibringen. Er konnte die komplette Tudormonarchie herunterrasseln, kannte aber nicht einmal die ersten drei Präsidenten.) Jedenfalls lagen Elizas Nerven ohnehin blank, als Iso beiläufig einen Namen fallen ließ, bei dem Eliza jedes Mal zusammenzuckte.
»Trudy Tackett«, wiederholte Iso. »Sie hat den Zettel hier unterschrieben. Er lag bei der Post, aber nicht in einem Umschlag. Siehst du? Hier steht, dass sie mit dir reden will.«
Eliza sah Peter an, der den Namen nicht unbedingt erkennen würde, aber sie hoffte, er würde etwas sagen, weil sie im Moment nicht dazu in der Lage war. Sie fühlte sich, als würde ein Tonklumpen ihren Kehlkopf umschließen und langsam aushärten. Trudy Tackett. Wie Jefferson Blanding ihr vor gerade zwei Tage gesagt hatte, war sie nicht schwer zu finden.
»Sie ist mit eurer Mutter zur Schule gegangen«, sagte Peter. »Daher kennst du sie doch, oder, Eliza?«
Sie nickte, dann krächzte sie mühsam: »Ihre Tochter. Ich kannte ihre Tochter.«
»Warum hat sie dir einen Zettel geschrieben?«
»Wahrscheinlich war sie in der Gegend.« Wieder kam die Antwort von Peter.
Mehr Neugier konnte Iso nicht aufbringen, was ihre Mutter betraf. Sie ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein, Albie gesellte sich am anderen Ende des Sofas zu ihr. In der nächsten Stunde würde er unauffällig näher rücken und geduldig Zentimeter für Zentimeter erobern. Wenn er irgendwann zu nahe kam, würde Iso schimpfen: »Hau ab, du stinkst«, oder: »Schnaub nicht so. Du machst komische Geräusche.« Albie würde sich zurückziehen und wieder von vorne anfangen. Er liebte sie abgöttisch. Warum erkannte Iso das nicht und freute sich darüber? Eliza war es mit Vonnie genauso gegangen, als sie klein gewesen war, und sie wettete, dass Vonnie das jetzt vermisste und es ihr leidtat, diese Zuneigung so verschenkt zu haben. Niemand liebte einen so wie jüngere Geschwister.
Sie und Peter beeilten sich, nach oben zu kommen, als müssten sie dringend ihre kleine Reisetasche auspacken und könnten diese komplizierte Aufgabe nur zusammen meistern. Es tat Eliza gut, sich zu beschäftigen, die schmutzige Kleidung zu sortieren und eine Maschine Wäsche vorzubereiten.
»Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr, wer Trudy Tackett ist«, gestand Peter. »Irgendeine Verwandte, oder?«
»Holly«, antwortete Eliza. »Hollys Mutter.«
»Oh.« Peter wusste, was das bedeutete. Zumindest nahm er das an. »Das kann auch ein Zufall sein. Sie muss ja nicht wissen, dass Walter sich bei dir gemeldet hat.«
»Was hat Blanding gesagt? Es ist ein ganz normales Büro. Die Leute klatschen. Vielleicht hat ihr jemand aus dem Gefängnis davon erzählt.«
»Von den Anrufen. Nicht von dem Besuch, der ist noch nicht vereinbart.«
»Soweit wir wissen, werden seine Telefongespräche abgehört.« Als ihre Aufgaben erledigt waren, setzte sie sich aufs Bett.
»Ich hätte gedacht, dass es ihr so oder so egal ist. Der Mord an ihrer Tochter hat immerhin zum Prozess und zur Todesstrafe geführt. Was will sie noch?«
Eliza zuckte mit den Schultern, als würde sie zustimmen. Dabei dachte sie: Viel mehr. Sie will viel mehr. Sie will, dass ich tot bin und ihre Tochter lebt.
Ein einziges
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