Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
behaupten, sie sei im Laden. Für den Notfall gab sie ihm Isos Handy. Es würde weiß Gott lange dauern, bis Iso es zurückbekam, falls überhaupt.
Dann ging es zurück an die North Bethesda Middle, wo sie sich beschämt die Liste mit Isos Fehltritten anhören musste. Stehlen, Lügen …
»Was das Lügen angeht«, warf sie ein. Sie wünschte, Peter hätte sich für dieses Gespräch freinehmen können, aber es war nicht möglich gewesen. (»Selbst wenn ich heute hier wegkäme, würde ich es nicht rechtzeitig schaffen«, hatte er Eliza erklärt.) »Wenn ich es richtig verstanden habe, hat sie gelogen, als sie nach dem Diebstahl gefragt wurde.«
»Das stimmt, aber das macht ihr Verhalten nicht besser«, erwiderte Roxanne Stoddard, die heute ein fabelhaftes Kostüm aus violettem Bouclé trug.
»Nein, aber – sie hat gelogen, um ihren Hintern zu retten.« Die derbe Ausdrucksweise vor der vorbildhaften Direktorin ließ sie erröten. »Entschuldigung. Ich meine nur, dass ich verstehe, warum sie gelogen hat, wobei ich es natürlich nicht gutheiße. Wir haben unseren Kindern beigebracht, dass Lügen das Schlimmste ist, was sie tun können.« Sie war so durcheinander und kopflos, dass sie sogar dachte: Mich hat sie nicht angelogen, nicht ihre Mutter. Sondern Sie! Als würde das einen Unterschied machen. »Aber vor allem verstehe ich nicht, warum sie etwas stiehlt, das sie schon hat – ein iPhone. Sie hat doch eins. Na ja, kein iPhone, aber ein Handy, das völlig reicht.«
»Mrs. Benedict, nach allem, was mir die Lehrer erzählt haben, ist Iso sehr wütend und unglücklich.«
»Gut, sie hat ihre Launen. Sie ist in der Pubertät.«
»Ja«, bemerkte die Direktorin trocken. »Damit kenne ich mich etwas aus.«
Eliza errötete, auch wenn sie nicht fand, dass Mrs. Stoddard durch die paar hundert Teenager in ihrer Nähe zur moralischen Instanz für dieses Gespräch wurde. Quantitativ betrachtet besaß sie vielleicht mehr Erfahrung, aber niemand kannte Elizas Kinder besser als sie selbst.
»Ich zeige Ihnen mal eine Hausaufgabe, die Iso vor Kurzem für den Englischunterricht geschrieben hat. Die Schüler sollten ein Ereignis aus ihrem Leben zu einer Folge einer bekannten Fernsehserie umschreiben.«
Eliza dachte, jetzt sei wohl nicht der richtige Zeitpunkt, um die Augen zu verdrehen, aber – ernsthaft? Eine Fernsehserie? Peter würde einen Anfall bekommen, wenn er davon hörte, und wahrscheinlich wieder von Privatschulen anfangen.
»Das hier ist Isos Geschichte.«
Die Direktorin reichte Eliza drei Blatt Papier über den Schreibtisch. Auf der ersten Seite stand in Isos beinahe übertrieben säuberlicher Handschrift der Titel: Alle lieben Albie.
Iso: Können wir uns einen Hund holen?
Isos Mutter: Nein, die sind dreckig und haben Flöhe, und vielleicht ist Albie allergisch.
Isos Vater: Ich habe keine Zeit, um Gassi zu gehen.
Iso: Ich gehe mit dem Hund raus.
Isos Eltern: NEIN !
Albie: Ich hätte gern einen Hund.
Isos Eltern: JA , GUT !
Eliza überflog diese und die beiden nächsten Seiten. »So war das überhaupt nicht. Es stimmt schon, wir haben nicht den Hund genommen, den Iso haben wollte, aber Reba hat so verlassen und mitleiderweckend gewirkt. Doch davon abgesehen, war es Peters Idee …«
»Es glaubt ja niemand, dass es bei Ihnen zu Hause tatsächlich so zugeht, Mrs. Benedict. Das würde wohl nicht einmal Iso behaupten. Ihr ging es bei der Szene eindeutig um den Humor – sie hat sogar eine Eins bekommen, weil sie sich an die Aufgabenstellung gehalten und eine bekannte Vorlage genutzt hat.«
Na prima. Die North Bethesda Middle bringt meiner Tochter, einer Diebin und Lügnerin, bei, wie man Sitcoms schreibt. Da geht es mir doch gleich viel besser.
»Am Ende des Halbjahres schreiben sie Sestinen«, erzählte die Direktorin, als könnte sie Elizas Gedanken lesen. »Mr. Klemm weiß, was er tut. Deshalb hat er mir angesichts von Isos anderen Problemen auch ihre Hausaufgabe gezeigt. Das Mädchen trägt Wut in sich.«
»Ich wüsste ehrlich nicht, worüber Iso wütend sein sollte. Wenn sie glaubt, wir würden ihren Bruder vorziehen, bildet sie sich das nur ein.« Unter dem unverwandten Blick der Direktorin konnte Eliza nicht aufhören zu reden. »In gewisser Weise beißt sich die Katze da auch in den Schwanz. Albie ist ein kleiner Schatz, brav und mitfühlend, er saugt Liebe auf wie ein Schwamm und gibt sie auch zurück. Iso war immer zurückhaltender und viel eigenständiger.«
»Hat sie Ihnen mal gesagt, wie sehr
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