Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
ihr Herz an Märchenprinzen hängt. Deswegen haben wir viele Bücher über das Land Oz gelesen, weil die Mädchenfiguren stark sind und sich nicht für Romantik interessieren. Aber dann kam Albie, und plötzlich ist mir aufgefallen, was für traurige Gestalten die Jungs abgeben. Die einzige positive Jungenfigur stellt sich später als verkleidete Prinzessin heraus. Der zweite ist Blitzeblank, und der verläuft sich eigentlich nur …«
Sie verstummte, als sie sich selbst reden hörte. Die Direktorin nickte nicht unfreundlich. Matt fügte Eliza hinzu: »Aber da war Iso sowieso über Gute-Nacht-Geschichten hinaus.«
»Keine Frage. Und ich finde, Iso benimmt sich kein bisschen ungewöhnlich. Es ist ganz normal, dass Mädchen in ihrem Alter ihre Geheimnisse haben. Sogar gesund. Aber mit dem Diebstahl des Handys hat sie eine Grenze überschritten, und es war wichtig, jetzt einzugreifen. Immerhin geht es nicht nur um das Handy, sondern auch um die Kosten für die Anrufe, mit denen die Familie nicht gerechnet hatte. Die Besitzerin des Handys hat leider geglaubt, sie habe es verloren, und sich nicht getraut, es ihren Eltern zu erzählen. Deswegen ist es zwei Wochen so gegangen.«
»Iso wird das Geld zurückzahlen. Das ist kein Problem.«
»Gut, aber das reicht nicht. Mein Vorschlag wäre – auch wenn es wirklich nur ein Vorschlag ist: Nehmen Sie Iso für den restlichen Herbst aus der Fußballmannschaft.«
»Das bringt sie um. Sie wird mich hassen.«
»Es bringt sie nicht um. Und ja, wahrscheinlich hasst Iso Sie eine Zeit lang. Aber sie muss begreifen, wie ernst die Sache ist.«
Auf dem Heimweg wollte Eliza bei Peter anrufen, doch seine Assistentin meinte, sie könne seine Sitzung nur unterbrechen, wenn es um Leben und Tod gehe. Eliza war versucht zu sagen: »Das tut es«, überlegte es sich jedoch anders. Sie hätte gern mit Peter gesprochen, bevor sie zu Hause Iso zur Rede stellte, aber Albie saß mit im Auto, und er hatte wirklich Ohren wie ein Luchs. Es wäre Iso gegenüber unfair gewesen, vor ihrem Bruder über sie zu reden. Eliza würde nach Hause fahren und sie mit dem alten Sitcom-Zitat begrüßen: »Na warte, bis dein Vater nach Hause kommt.« (Es war in der Tat ein richtiger Sitcom-Tag. Für das Gespräch bei der Direktorin fehlte Eliza nur noch die Untermalung aus der Lachkonserve.) Sie wollte Iso nicht drohen, sondern ihr nur klarmachen, dass eine so wichtige Angelegenheit beide Elternteile als vereinte Front erforderte.
»Iso?«, rief sie, als sie das Haus durch die Garage betrat.
»Ich bin hier, Mom.« Sie klang kein bisschen beunruhigt, was zum Verrücktwerden war. Nach einem Gespräch in der Schule sollte sie zumindest etwas Angst vor Eliza haben.
»Wo ist hier?«, fragte sie.
»Im Esszimmer, mit deiner früheren Lehrerin. Wir haben Tee gekocht.«
Ach, deswegen bist du so ruhig. Du hast eine Zeugin und weißt, dass ich dich nicht anpfeifen kann. Und dann: Frühere Lehrerin?
Sie betrat mit Albie das förmliche Esszimmer, das sie nur selten benutzten. Der Tisch war schlicht, aber ausreichend zum Teetrinken gedeckt, der fischförmige Teekessel stand auf einem Untersetzer, auf einem Teller fächerten sich Kekse auf. Elizas Kekse, die sie immer versteckte. Ein weiterer Diebstahl? Wollte Iso ihre Mutter beeindrucken oder ihre Besucherin, eine übertrieben gut gekleidete Frau, die Eliza sofort bekannt vorkam? Der Name lag ihr auf der Zunge, nur der Kontext passte nicht. Eine Lehrerin? An eine so elegante Frau konnte sie sich aus der Schule nicht erinnern.
»Trudy Tackett«, sagte die Frau, stand auf und streckte die Hand aus. »Ich habe mich ausgesprochen nett mit Ihrer Tochter unterhalten. Sie erinnert mich sehr an meine Tochter in diesem Alter.«
Kapitel 39
Walter bekam zum ersten Mal seit beinahe einer Woche seine Stunde Hofgang. Dem Gesetz nach sollten die Männer in Sussex I jeden Tag eine Stunde draußen verbringen, aber irgendetwas kam immer dazwischen. Die Gefängnisleitung behauptete, es sei eine Waffe gefunden worden, was Einschluss für alle bedeutete, dann musste angeblich ein Zaunabschnitt repariert werden, dabei hätte man den betroffenen »Zwinger«, wie Walter die abgetrennten Gefängnishöfe nannte, einfach unbesetzt lassen können. Heute zum Beispiel waren die Höfe zu beiden Seiten leer, er konnte mit niemandem reden oder Karten spielen. Aber das machte nichts. Ihm war nicht nach Gesellschaft zumute. Er zog es vor, mit seinen Gedanken allein zu sein und ein paar Sonnenstrahlen auf
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