Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
Walters Freundin.«
»Das ist eine unfassbare Beleidigung«, sagte Inez.
»Einem guten Verteidiger ist es egal, ob er jemanden beleidigt. Er spielt um einen hohen Einsatz. Er spielt um Walters Leben.«
»Und Sie spielen um seinen Tod«, sagte Manny. »Ein ziemlich hoher Einsatz. Man könnte auch sagen, Sie spielen Gott.«
Der Staatsanwalt musterte Elizas Eltern. »Sie sind so liberale Aufgeklärte, was? Sie wollen den Kerl nicht sterben sehen. Sie wollen niemanden sterben sehen. Allerdings haben Sie Ihre Tochter zurückbekommen. Zwei andere Familien, und wahrscheinlich noch weitaus mehr, hatten nicht so viel Glück.«
»Als Vater will ich ihn erwürgen«, sagte Manny. »Wenn ich ihn sehe, will ich ihm das Gesicht einschlagen, ihn niederprügeln und ihn treten, bis er Blut spuckt. Aber ich weiß, das ist nicht richtig, ich sollte das nicht tun. Ich will auch nicht, dass der Staat das für mich übernimmt. Also nein, ich bin nicht für die Todesstrafe, falls Sie das wissen wollten.«
»Die Tacketts sehen das anders. Und der Staat Virginia vertritt in diesem Fall die Tacketts. Nicht Ihre Tochter. Holly Tackett und Virginia. Ich hoffe, Sie haben mit Ihren« – er schien nicht zu zögern, weil ihm das rechte Wort fehlte, sondern der gewünschte Unterton – »altruistischen Ideen nicht Ihre Tochter beeinflusst. Ich hoffe, Sie haben sich diese Geschichte über McDonald’s, die ich heute zum ersten Mal höre, nicht ausgedacht, damit die Ereignisse unklar scheinen und die Geschworenen vor der Todesstrafe zurückschrecken.«
Inez legte Manny eine Hand auf den Arm, beinahe als würde sie fürchten, er wollte dem Staatsanwalt das antun, was er gerne mit Walter machen würde. Aber natürlich blieb er sitzen.
»Unsere Tochter hat von uns nur gehört, dass sie die Wahrheit sagen soll«, sagte Inez. »Die Wahrheit sagen und nicht nach Gründen für das suchen, was ihr passiert ist, weil es keine Gründe gibt.«
»Es ist sehr nett, ihr das zu sagen, und wahrscheinlich auch sehr hilfreich«, versuchte sich der Staatsanwalt zurück auf ihre Seite zu schlagen, um das Team wieder zu einen. Hurra, Eliza! Buh, Walter! Aber er hatte sich verplappert und gezeigt, worum es ihm eigentlich ging, und Eliza wusste, dass sie ihm nie wieder vertrauen konnte. »Nur wollen die Geschworenen alle möglichen Gründe hören. Ich versuche, mich auf den ungünstigsten Fall einzustellen. Aber es wird bestimmt gut laufen.«
Das tat es auch, zumindest für den Staatsanwalt. Walters Verteidiger war alles andere als ein Experte, und er behandelte Eliza mit beinahe absurder Höflichkeit, als litte sie unter einer Beeinträchtigung, die man nicht direkt ansprechen durfte. Nicht er, sondern der Staatsanwalt fragte sie nach allen Einzelheiten ihres Besuchs bei McDonald’s und ließ sie qualvoll detailliert schildern, was Walter ihr angetan hatte in der Nacht, nachdem Holly gestorben war. Jared Garrett war derjenige, der wenige Monate später einen großen Teil seines Buchs der Theorie widmete, Elizabeth Lerner könnte Walter Bowmans Freundin und Komplizin gewesen sein. Warum Walter sie nicht belastet hatte, wüsste nur er selbst, weil er nie ausgesagt hatte. Warum durfte sich Walter der weniger schweren Anklage wegen Entführung und Körperverletzung für schuldig bekennen, wenn er Elizabeth vergewaltigt hatte? Garrett zitierte für seine Theorien keine Quellen, er behauptete nur, manch einer sei der »Auffassung«, Elizabeth Lerner hätte sich in mehr als eine Geisel verwandelt. »Auffassung!«, hatte Vonnie geschnaubt. »Der Auffassung ist nur er, dieser Vollidiot.«
Es war nicht wichtig. Als Garretts Buch erschien, machten sich die schmutzigen Fantasien, die solcher Journalismus anzog, schon über das nächste Thema her. Ein Serienmörder, genannt »der Nightstalker«, versetzte Los Angeles in Angst und Schrecken; zwei tote Mädchen im Osten Amerikas konnten da schlicht nicht mithalten. Walter Bowmans Verbrechen wurden sogar in Virginia in den Hintergrund gedrängt, nachdem eine erfolgreiche College-Studentin ihren deutschen Freund dazu angestiftet hatte, bei dem Mord an ihren Eltern zu helfen. Elizabeth Lerner war Eliza Lerner, eingeschrieben an einer neuen Highschool in einem neuen Bezirk, das Haar mit den unbändigen Locken wieder in seiner Naturfarbe. Niemand wusste von ihrer Vergangenheit, niemand interessierte sich dafür.
Oder war es umgekehrt: Niemand interessierte sich dafür, deshalb wusste niemand davon? Mehr als zwei Jahrzehnte
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