Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
des Staatsanwalts konnten sich ihre Eltern nicht mehr beherrschen.
»Also wirklich …«, setzte ihre Mutter an. »Warum müssen Sie …«, sagte ihr Vater. Eliza merkte, dass er den gleichen Ton wie als Psychiater anschlagen wollte, aber er hatte seine Stimme nicht so wie sonst unter Kontrolle.
»Was glauben Sie wohl, was Walter Bowmans Anwalt mit dieser Information anstellen wird?« Der Staatsanwalt sprach tonlos, so wie die Sportlertypen an Elizas neuer Schule, die Mädchen auch sagen würden, sie seien es nicht einmal wert, aufgezogen zu werden. »Sie hatte eine Chance, zu fliehen und sie beide zu retten. Sie hat sie nicht genutzt.«
»Dann rufen Sie Eliza nicht in den Zeugenstand«, riet ihr Vater. »Wir haben nichts dagegen einzuwenden.«
»Ich brauche ihre Aussage über die Geldkassette und darüber, dass Walter Holly festgehalten hat. Für die Todesstrafe muss ich ihm die Entführung oder eine andere schwere Straftat nachweisen, und die Vergewaltigung können wir nicht beweisen.«
Eliza überlegte, bis ihr klar wurde: Er sprach von Holly. Sie konnten nicht beweisen, dass Walter Holly vergewaltigt hatte. Was er Eliza angetan hatte, zählte nicht.
»Elizas Verhalten stimmt mit Dutzenden anderer Entführungsfälle überein«, sagte ihre Mutter.
»Stockholm-Syndrom, ich weiß.« Der Staatsanwalt klang verbittert und herablassend. »Hat bei Patty Hearst ja wunderbar funktioniert.«
»Nein, nicht Stockholm-Syndrom, nicht ganz. Sie hat nicht mit ihrem Entführer sympathisiert. Aber Elizabeth« – ihrer Mutter fiel es schwer, an ihren neuen Namen zu denken – »ist noch jung; sie hat geglaubt, er hätte wirklich so viel Macht, wie er sagte. Er hat sie bedroht. Und uns auch.«
Der Staatsanwalt sah Eliza an. Sie nickte, dann stellte sie fest, dass ihm ein Nicken nicht reichen würde. »Er hat mir immer wieder gesagt, dass er mich und meine Familie umbringt, wenn ich versuche wegzulaufen. Er würde sie umbringen, während ich zusehe, hat er behauptet.«
Er blickte in seine Notizen. »Auf der Straße, als ihr Holly zum ersten Mal gesehen habt – warum bist du ausgestiegen und hast Holly in der Mitte sitzen lassen?«
»Weil Walter das so wollte.«
»Hat er das gesagt?«
»Nein, das war auch so klar. Er hat mich nur angesehen, und ich wusste, dass die Neue neben ihm sitzen soll.«
»Die Neue?«
»Holly. Aber da war sie noch nicht Holly. Ihren Namen habe ich erst im Pick-up erfahren.«
»Du warst auch mal die Neue.«
Eliza verstand nicht, worauf er hinauswollte. »Eigentlich nicht. Als er mich entführt hat, gab es kein anderes Mädchen.«
»Du hast ihn mit einer Schaufel an einem Grab gesehen.«
»Ja, aber das wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass er gegraben hat.«
»Ein Grab für Maude Parrish.«
»Das ist das Mädchen, das dort gefunden wurde, oder?«
Der Staatsanwalt beantwortete ihre Fragen nicht immer. Offenbar gehörten alle Fragen ihm. »Also warst du nach Maude die Neue. Und wenn Walter ein neues Mädchen hatte, schaffte er sich das alte vom Hals, das wusstest du.«
»Nein …« So war das nicht, es war ganz anders.
»Warum hat Walter dich leben lassen, Elizabeth? Warum hat er alle Mädchen getötet, nur dich nicht?«
»Ich glaube, weil ich immer gemacht habe, was er wollte«, antwortete Elizabeth.
Der Staatsanwalt bat sie hinauszugehen, damit er im Vertrauen mit ihren Eltern reden konnte, aber ihre Eltern wiesen das zurück. Eliza war sechzehn, sie würde vor Gericht aussagen. Sie sollte bei jedem Gespräch dabei sein.
»Gut, ich sage Ihnen, wie es aussieht. Der Staatsanwalt in Maryland traut sich nicht, in seinem Bezirk die Todesstrafe zu beantragen, weil er Maudes Entführung nicht beweisen kann. Walter Bowman gibt keine weiteren Morde zu, obwohl eine ganze Reihe von Vermisstenfällen passen würde. Der Mord an Holly Tackett ist unsere einzige Chance, für diesen Kerl die Todesstrafe zu bekommen, und ich kann mir nicht erlauben, der Verteidigung irgendwas in die Hände zu spielen.«
Die Lerners waren zutiefst verblüfft, fassungslos starrten sie diesen aufgeblasenen jungen Mann an.
»Für einen gewieften Verteidiger ist das ein gefundenes Fressen. Er wird behaupten, Elizabeth sei zu diesem Zeitpunkt kein Opfer gewesen, sondern Walters Komplizin. Und wenn es dieser Gedanke erst mal in den Gerichtssaal schafft, hat man ganz schnell berechtigte Zweifel. Elizabeth könnte Holly den Abhang hinuntergestoßen haben, aus Angst oder sogar aus Eifersucht. Vielleicht war sie in Wahrheit
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