Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
bekommt von mir drei Stunden und klare Spielregeln. Sie muss im Einkaufszentrum bleiben, und wenn sie nicht pünktlich am Treffpunkt steht, ist die Hölle los. Außerdem muss sie ihr Handy eingeschaltet lassen und sich melden, wenn ich anrufe. Nimmt sie meinen Anruf nicht an, darf sie nicht mehr hingehen.«
Das klang doch ganz harmlos. Warum hatte Iso deswegen gelogen?
»Ich dachte, ihr erlaubt es mir nicht«, erklärte Iso, den Blick fest auf eine Stelle an ihrer Zimmerwand irgendwo hinter ihren Eltern gerichtet. Die Wand war in einem sehr blassen Lavendelton gestrichen, den sie selbst ausgesucht hatte.
»Jetzt bestimmt nicht mehr«, sagte Peter. »Du weißt, was wir vom Lügen halten, Iso.«
Sie seufzte. »Ja, es ist das Schlimmste, was wir tun können.« Sie betete es herunter, dass es fast höhnisch klang, als wäre dieses Pochen auf die Wahrheit lächerlich.
»Warum hast du geglaubt, wir würden es dir nicht erlauben?« Eliza verstand es tatsächlich nicht.
»Weil ihr ständig sagt: Bla, bla, bla, Einkaufen ist schlecht, je mehr man kauft, desto mehr CO 2 verbraucht man, bla, bla, bla. Und wenn ich mal zu McDonald’s will, muss ich mir diesen Käse anhören von wegen Fast Food Nation , Kolibakterien und Maden im Bauch.«
»Stimmt, grundlos shoppen zu gehen ist eine schlechte Angewohnheit«, sagte Peter. »Und wenn du Hamburger essen willst, sollte es ein richtig guter sein, finde ich.«
»Die richtig guten, die du magst, gibt es im Restaurant, da kosten sie acht Dollar. Bei McDonald’s bezahle ich für ein ganzes Essen weniger als fünf.«
Eliza fand es amüsant, Vater und Tochter über Kosten-Nutzen-Rechnungen diskutieren zu hören. Peter war bereit, für guten Geschmack mehr auszugeben. Iso ging es um Masse. Es war ganz ähnlich wie Peters Arbeit in seiner Firma, in der man darauf setzte, dass sich Menschen mit bestimmten Wertvorstellungen für ihre Anlageformen entscheiden würden, obwohl sie bei anderen Firmen schnellere und bessere Ergebnisse erzielen konnten.
»Die Hamburger bringen uns jetzt nur vom Thema ab«, sagte sie. »Du hast mich angelogen, Iso, und das geht nicht. Du musst bestraft werden. Und übrigens: Hättest du mich gefragt, hätte ich wahrscheinlich nichts dagegen gehabt, dass du ins Einkaufszentrum gehst. Meine Eltern waren in dieser Hinsicht sehr streng, als ich jung war. Sie haben eine ganze Reihe von Regeln aufgestellt, was ich in meiner Freizeit machen durfte, und ich fand das schrecklich. Jetzt würde ich meine Zeit nicht für Geld und gute Worte im Einkaufszentrum verplempern. Aber mit vierzehn war das für mich das Größte.«
»Echt? Oma I. und Opa M. waren streng?« Eliza wusste nicht mehr, seit wann oder warum sie die Initialen ihrer Eltern anhängten.
»Bei den meisten Sachen nicht. Aber das Einkaufszentrum konnten sie nicht ausstehen.«
»Als ihr jung wart, war doch alles sicherer, oder? Ihr hattet viel mehr Freiheiten.«
Iso wollte mit ihrer Frage nicht provozieren. Sie wiederholte nur, was sie aufgeschnappt oder welchen Eindruck sie bekommen hatte. Früher war alles ganz sicher. Nein, von zu Hause kannte sie diese Ansichten wohl kaum. Für Eliza bot die momentan verbreitete Paranoia eine gute Tarnung. Sie konnte besorgt um ihre Kinder sein, ohne als sonderlich oder streng zu gelten.
»Iso, du hast Hausarrest«, verkündete Peter. »Zwei Wochen lang.«
»Was heißt das?«
Das versuchten sie nach mehreren Tagen immer noch herauszufinden. Durfte Iso mit Reba Gassi gehen? Eine schwierige Frage. Es war schön, dass Iso sich für die Hündin interessierte und anbot, eine wichtige Aufgabe zu übernehmen, aber auch ungewöhnlich. »Wenn du Albie mitnimmst«, entschied Eliza. Iso beschloss, dass sie doch nicht mit Reba spazieren gehen wollte. Durfte sie eine Freundin wegen der Hausaufgaben anrufen? Nur vom Küchentelefon aus, wo sie in Hörweite war. Wenn Albie im Wohnzimmer fernsah und Iso dazukam, durfte sie zumindest erwähnen, dass auf einem anderen Kanal wahrscheinlich etwas Besseres lief? Nein, denn Albie würde Iso alles geben, was sie wollte.
Tatsächlich war Albie beim Fernsehen vollkommen wahllos. Heute war Sonntag, ein grauer, nieseliger Tag, der es schaffte, gleichzeitig schwül und kühl zu sein. Peter war ins Büro gefahren, und Eliza saß mit Albie und Iso im Haus fest. Das war das Problem bei einem Kind mit Hausarrest: Man musste bei ihm bleiben. Am frühen Nachmittag saßen die drei zusammen im Wohnzimmer und sahen sich lustlos an. Ein Spiel? Sie
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