Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
konnten sich auf keines einigen. Ein Puzzle? Auf etwas derart Uncooles hatte Iso keine Lust. Bücher? Den Vorschlag fand sogar Albie scheußlich. Eliza schnappte sich die Fernbedienung und schaltete TCM ein, einen Sender, den sie sehr mochte. Für sie würde das perfekte Kabelpaket nur aus TCM bestehen, vielleicht noch aus AMC , obwohl sie sich bei dem zweiten Sender über die geschnittenen Filme und die Werbeunterbrechungen ärgerte.
Auf dem Schirm erschienen in Nebel gehüllte Berge, ganz deutlich eine Kulisse. Gene Kelly, Van Johnson … »Ach, das ist Brigadoon «, sagte Eliza. »Ein toller Film.«
Albie, der sich wahrscheinlich klaglos ein Testbild angesehen hätte, krabbelte aufs Sofa und kuschelte sich an Eliza. Sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie überglücklich sie das machte. Iso lag ausgestreckt auf dem Boden und rief: »Laaangweilig.« Aber nach einer Weile weckte Gene Kelly ihr Interesse.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Albie. »Wie kann die ganze Stadt hundert Jahre lang schlafen?«
»Durch Zauberei«, antwortete Eliza.
»Aber dieser komische Mann hat gesagt, sie hätten was mit Gott abgemacht. Ist Gott ein Zauberer?«
Gute Frage. Eliza und Peter hatten den Kindern nicht viel über Religion beigebracht. Ein Teil von ihr, der reflexartig ehrliche Teil, wollte schon sagen: »Ja, Religion und Zauberei sind so ziemlich das Gleiche.« Aber sie stellte sich vor, Albie würde diese Weisheit in der Schule verkünden; das würde ordentlichen Ärger geben. Also sagte sie stattdessen: »Gott wird immer als allmächtiges Wesen gesehen, in allen Religionen.«
»Das sieht überhaupt nicht wie Schottland aus«, beschwerte sich Iso. Und sie kannte sich aus. Im letzten Sommer hatte die Familie eine Rundreise durch die Highlands gemacht. »Das ist nicht echt.«
Sie hatte recht, und Eliza vermisste Gene Kellys typischen Schalk, diese verschmitzte Selbstsicherheit, die er den meisten Rollen verlieh. Hier gab er den puren Romantiker, während Van Johnson den wüsten Scherzbold spielte. Trotzdem war der Film wunderbar und herrlich romantisch. Außer natürlich für die Figur des Harry Beaton, der die Hochzeit seiner großen Liebe mit einem anderen mit ansehen muss und dabei weiß, dass er Brigadoon nicht verlassen darf, weil das Dorf sonst untergeht. Brigadoons Handel mit Gott war schön und gut, wenn der Mensch, den man liebte, schon dort war. Aber was sollte ein Harry Beaton machen? Er hatte wirklich schlechte Karten gezogen.
Jedes Mitleid mit Harry verpuffte schließlich, als er seiner großen Liebe bei ihrer Hochzeit grob entgegenschleuderte: »Alles, was ich tat, war, dich zu sehr zu begehren.«
Natürlich gab es ein Happy End – zumindest für Gene Kelly und Cyd Charisse. Aber was war mit den anderen Brigadoonern – Brigadoonesen? –, die in dem kleinen Dorf nicht ihre große Liebe fanden und deren Gefühle nicht so inbrünstig waren, dass sie das Dorf zum Leben erweckten, obwohl es hundert Jahre lang schlummern sollte? Was würde im Laufe der Jahre geschehen, wenn die Blutsverwandtschaften enger wurden?
Ein Telefon klingelte. Ein einzelnes Telefon, oben in ihrem Schlafzimmer.
»Das Alarmtelefon!«, jubelte Albie, begeistert darüber, das geheimnisvolle Telefon in Aktion zu erleben. Elizas erster Impuls war es, das Klingeln zu ignorieren, aber jetzt musste sie abheben, Walters Anruf ablehnen und den Kindern sagen, das sei nur ein Test gewesen, wie bei öffentlichen Katastrophenwarnungen. Falls wirklich einmal ein Notfall eintrat …
Iso war nicht die einzige Lügnerin in der Familie, dachte Eliza auf dem Weg zur Treppe.
Bis sie das Telefon erreichte, hatte es aufgehört zu klingeln. Sie sah auf ihre Uhr: zwei Uhr nachmittags an einem Sonntag. Sie glaubte nicht, dass Walter die Regeln gebrochen hatte, nicht so bald. Dass er im Laufe der Zeit nachlässiger werden würde, dass er vergaß, was er tun sollte, oder sich nicht mehr darum kümmerte, konnte sie sich vorstellen. Aber nicht beim dritten Anruf. Hatte sich jemand verwählt? Woher sollte derjenige das wissen, wenn sich niemand meldete? Warum legte er wieder auf?
»Ich dachte, das ist der Heimatschutz und wir sollen evakuiert werden«, sagte Albie enttäuscht. »Dann wäre endlich mal was Spannendes los.«
»Wir können uns bestimmt etwas einfallen lassen, das beinahe genauso spannend ist«, sagte Eliza. Sie verbrachten den Nachmittag damit, Cupcakes zu machen und sie besonders aufwendig zu dekorieren. Sogar Iso machte mit, weil sie
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