Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
nicht tun. Sie redete mit Walter nicht über ihre Kinder, niemals, und bisher war er klug genug, nicht nach ihnen zu fragen. Außerdem wäre es taktlos gewesen, von ihrem Glück zu berichten, grausam und quälend. Was die Versuchung fraglos steigerte. Damit hätte sie indirekt gesagt: Ich bin da, wo ich bin, und ich habe, was ich habe, weil ich im Innersten ein guter Mensch bin. Du bist, wo du bist, weil du schlecht bist. Nur weil ich vierzig Tage in deiner Welt verbringen musste, bin ich nicht auch schlecht.
Aber wichtiger wäre ihr gewesen, mit jemandem über diesen Tag zu reden, mit irgendwem. Sie hatte es mit Peter versucht, der ein guter Ehemann war, aber immer noch ein Mann, und nicht dazu neigte, wegen Cupcakes und Monopoly ins Schwärmen zu geraten. Vonnie brachte für solche Gespräche keine Geduld auf, und Elizas Mutter fing meist davon an, wie schwierig Vonnie war, wenn Eliza von ihren Problemen mit Iso erzählte. Und Freundinnen musste sie erst noch finden. Die Leute waren nett, schienen sie aber für distanziert zu halten. Komisch, denn in London hatte Eliza als schwungvolle Amerikanerin durch und durch gegolten, und jetzt fanden ihre Landsleute sie scheinbar unterkühlt und zurückhaltend. Vielleicht hatte sie auch noch keine Freundinnen gefunden, weil sie vor allem die Eltern von Isos Clique kennenlernte und da wahrscheinlich als Mutter der subtilen Mobberin galt. Im Rückblick hätte sie vielleicht Isos Lüge über das Einkaufszentrum übergehen sollen, und sei es nur, um eine Verbindung zu dieser freundlich wirkenden Mutter aufzubauen.
Und hier war Walter, der sie so kannte wie kaum jemand sonst. Abgesehen von ihren Eltern und Vonnie gab es niemanden mehr in ihrem Leben, der sie je Elizabeth genannt hatte. Sie wusste noch, wie sie mit sechzehn die Unterlagen für ihre neue Schule ausgefüllt hatte. »Wieso kann ich meinen Namen nicht ändern?«, hatte sie ihre Eltern gefragt. »Offiziell?«, fragte ihr Vater. »Das müsste eigentlich gehen.« »Nein, ich meine einfach so, dass ich mich nur anders nenne.« »Reine Bürokratie«, sagte ihre Mutter. »Dein Name muss mit dem Namen auf deiner Geburtsurkunde übereinstimmen, sonst nimmt dich die Schule nicht auf.« »Aber ich könnte ihn abkürzen, ihn verändern oder meinen zweiten Vornamen benutzen.« »Das kannst du natürlich«, sagte ihre Mutter.
Mit ganzem Namen hieß sie Elizabeth Hortense Lerner, nach ihrer Großmutter mütterlicherseits. Elizabeth Hortense Babington hatte im Norden von Baltimore gewohnt; das Bethaus der Quäker, dem sie angehörte, konnte sie zu Fuß erreichen. Sie war allerdings auch überall zu Fuß hingegangen, hatte kein Auto besessen und für längere Strecken Taxis benutzt. Wäre sie die Großmutter von jemand anderem gewesen, hätten Elizabeth und Vonnie diese dünne, schwarz gekleidete Frau mit dem langen, dicken Haar wahrscheinlich für schrullig gehalten, wie sie durch die Straßen der Stadt marschiert war, als gehörte sie nicht in diese Zeit und an diesen Ort. Elizabeth war stolz darauf, ihren Namen zu tragen, während Vonnie ein wenig angefressen war, dass sie nach der Mutter ihres Vaters benannt war, Yvonne Estelle. Es war schlimm, den eleganten Namen ihrer Großmutter zu verstümmeln, beinahe als würde man ein Hochzeitskleid zu Bettwäsche zerschneiden. Aber dafür gab es viele Möglichkeiten: Liz, Lizzie, Beth, Betsy, Bette, Bets … Eliza! Das enthielt mehr von ihrem echten Namen als die Alternativen, klang aber so anders, dass kaum jemand die Verbindung herstellen würde. Das Mädchen, das im Nachbarbezirk entführt worden war, hieß Eh-li-sa-beth Lerner. Ii-lei-sa Lerner war ein neuer Mensch.
Sie hatte sich von »Beth« getrennt und nie zurückgeblickt.
»Mein Leben ist ganz normal«, beantwortete sie Walters Frage. »Hier passiert nichts Aufregendes.«
»Geht mir genauso«, sagte er und lachte. Das war neu. Früher hatte Walter nicht über sich lachen können. »Aber bei dir ist es wohl gut so. Du hast dir ein schönes Leben aufgebaut.«
»In deinem Brief hast du aber anders geklungen.«
»Was meinst du damit?« Verdutzt, beinahe verletzt.
»Du hast geschrieben, du hättest mehr von mir erwartet.«
»Nein«, widersprach Walter. »Ich habe geschrieben, ich hätte mir mehr vorgestellt .«
Über die Wortwahl konnte sie nicht streiten, sie hatte den Brief geschreddert. Aber die Bedeutung konnte sie anfechten. »Das schwang mit. Dass du erwartet hast, ich würde Karriere machen.«
»Nein, finde ich
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