Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
genommen, aber sie hätte doch mehrmals fliehen können.«
Beinahe bekam Barbara ein schlechtes Gewissen. Garretts schmutzige Fantasie anzufachen war, als würde man ein Tier oder ein kleines Kind triezen. So einfach, dass es unfair wurde. Sie wollte der Frau wirklich nicht schaden, aber sie war Barbaras und Walters letzte Hoffnung. Um ein Leben zu retten, um ein schreckliches Fehlurteil aufzuhalten, war alles erlaubt. Elizabeth Lerner musste sich wegen nichts schämen – es sei denn, sie ließe Walter sterben, dann wäre sie eine Mörderin, kaltblütiger als jeder Häftling im Todestrakt.
»Haben Sie ihre Adresse und Telefonnummer? Glauben Sie, sie würde mit mir reden?«
»Nein«, kehrte Barbara erleichtert zu ihrer gewohnt unverblümten, taktlosen Offenheit zurück. »Walter hat ihre Nummer, aber das heißt nicht, dass ich sie auch habe.« Noch eine Notlüge. »Außerdem glaube ich nicht, dass sie jetzt mit Ihnen reden würde. Sie achtet immer noch darauf, dass niemand weiß, wo sie wohnt, oder von ihrer Vergangenheit erfährt. Vielleicht, falls Walter stirbt …«
»Falls? Ich dachte, das steht schon fest.«
»Ich glaube, man sollte auch andere Möglichkeiten im Auge behalten. Man darf ja noch hoffen.«
»Elizabeth Lerner.« Er schüttelte den Kopf, als hätte er eine Prominente gesehen, von der er allerdings nicht besonders viel hielt. »Ihre Eltern haben gedroht, mich wegen Verleumdung zu verklagen. Sie haben sogar von einer einstweiligen Verfügung geredet.«
»Sie waren ihre Eltern«, sagte Barbara. »Natürlich wollten sie ihre Tochter beschützen.«
»Haben Sie Kinder?«
»Nein«, antwortete Barbara. »Ich war nie verheiratet. Nicht, dass ich einen Mann bräuchte, um Kinder zu haben. Aber ich mag Kinder nicht besonders.«
»Waren Sie nicht Lehrerin? Ich meine, ich weiß ja von diesem schrecklichen Zwischenfall mit einem Schüler, aber mochten Sie Kinder davor auch nicht?«
»Ich weiß nicht mehr, aber … nein, ich glaube nicht. Ich mochte meine Fächer, Politikwissenschaft und Geschichte. Das war mir wichtig, und ich wollte es mit anderen teilen. Aber ich bin nicht Lehrerin geworden, weil ich Kinder so toll finde. Sie waren unvermeidlich, also habe ich sie akzeptiert. Und Sie?«
»Ich? Ich war nie Lehrer.«
»Ob Sie Kinder haben.«
»Nein. Meine Frau und ich … es sollte nicht sein, und wir haben uns damit abgefunden. Gottes Wille und so.«
»Und eine Adoption kam nicht infrage?«
Er sprach leise, obwohl niemand im Restaurant war, der sie hätte hören können. »Nein, auf keinen Fall. Wenn man tut, was ich tue, erfährt man so einiges.«
»Wie meinen Sie das?«
»Über Adoptionen. Bei Verbrechen. Solche Kinder sind gestört.«
»Ach, Unsinn. Es gibt keine empirischen Daten, die das belegen. Der Todestrakt ist voll von Männern, die von ihren biologischen Eltern großgezogen wurden. Von biologischen Eltern, die sie meist geschlagen oder misshandelt haben. Einigen Männern, die ich kennengelernt habe, wäre es bei Adoptiveltern besser ergangen.«
»Sind miese Eltern für Sie ein Grund, jemanden nicht hinzurichten?«
»Ja, allerdings. Aber ich glaube auch, dass nichts dem Staat das Recht gibt zu morden. Zu töten ist entweder falsch oder nicht falsch. Wenn ein Einzelner einem Menschen nicht das Leben nehmen darf, darf der Staat es auch nicht. Er bestiehlt ja auch keine Diebe …«
»Er beschlagnahmt Gelder. Er verhängt Strafen.«
»Das ist nicht das Gleiche. Der Staat missbraucht keine Vergewaltiger. Warum bestehen wir nur bei Morden, und nur bei ganz bestimmten Morden, auf dieser Art von Recht?«
»Walter Bowman hat schreckliche Dinge getan.«
»Ja, das stimmt. Das würde er auch sofort zugeben. Und er akzeptiert, dass lebenslang im Gefängnis ohne Aussicht auf Bewährung gerecht wäre.«
Jared hatte das Chili stehen lassen und zupfte an dem Maisbrot, das dazu serviert wurde.
»Hören Sie, ich kann nichts versprechen«, sagte Barbara. »Aber eventuell bekommen Sie ein Interview von Walter. Von Walter und Elizabeth. Aber Sie müssen Geduld haben.«
»Woher weiß ich, dass Sie auch nur einen von beiden liefern können? Wieso sollte ich glauben, dass Sie überhaupt wissen, wo Elizabeth Lerner ist?«
»Das zeige ich Ihnen nach dem Essen.«
Kapitel 30
»Und was hast du so gemacht?«, wollte Walter von Eliza wissen. Es war eine ganz normale Frage. So normal, dass sie noch unnormaler wirkte.
Sie war versucht, ihm von ihrem perfekten Sonntag zu erzählen. Natürlich würde sie es
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