Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
Ihnen, um Ihnen wie ausgemacht bei der Sache mit Harriet zu helfen. Aber dann erfuhr sie von dem Brand und der Leiche, und sie konnte sich zusammenreimen, was passiert war. Deshalb hat sie Harriet mitgenommen – um sie vor Ihnen in Sicherheit zu bringen.«
Das war nicht schlecht, dachte Kincaid, um nicht zu sagen genial. Es gab nur ein Problem mit Bells Szenario. Er glaubte nicht daran.
Es hatte zu viele Lücken. Es erklärte nicht, was Chloe Yarwood am besagten Abend in dem Lagerhaus gewollt hatte, und auch nicht, was aus ihr geworden war. Es erklärte nicht Elaine Hollands seltsames und geheimnistuerisches Verhalten Fanny Liu gegenüber, oder wie sie es geschafft hatte, mit einem zehnjährigen Kind zu verschwinden, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Und warum war sie nicht zur Polizei gegangen, wenn sie glaubte, dass Novak sich eines Mordes schuldig gemacht hatte?
Und es war auch kein Platz in dieser Theorie für Rose Kearnys Brandstifter, es sei denn, das Feuer wäre nicht Teil der Serie gewesen – aber dazu passte es zu gut in das Muster. Nach dem gestrigen Brand war er endgültig davon überzeugt, dass Sie Recht hatte und sie es mit einem Serienbrandstifter zu tun hatten.
Und dann war da noch Gemma. Kincaid hatte gelernt, Gemmas Instinkt zu vertrauen, und Gemma glaubte nicht, dass Tony Novak ein Mörder war.
Novak wandte sich zu Kincaid um und sah ihn Hilfe suchend an. »Sagen Sie’s ihr. Sagen Sie ihr, dass es nicht wahr ist. Ich hätte Laura niemals etwas antun können.«
»Es tut mir Leid, Mr. Novak«, erwiderte Kincaid mit ehrlichem Mitgefühl. »Wir müssen jeder Möglichkeit nachgehen. Unsere Spurensicherungsteams untersuchen zurzeit Ihre Wohnung und Ihren Wagen.«
Tony Novak starrte ihn an, als hätte er sich gerade als Judas entpuppt; dann beugte er sich vor und packte die Tischkante so fest, dass seine Knöchel weiß wurden. »Suchen Sie, so viel Sie wollen. Denken Sie, was Sie wollen. Es ist mir egal, was Sie tun, solange Sie nur meine Tochter finden.«
Als sie Tia Foster das erste Mal befragt hatten, hatte Doug Cullen sich notiert, dass Nigel Trevelyans Familie ihrer Aussage nach in Ealing in der Nähe des Golfplatzes wohnte. Im Telefonbuch
hatte er zwei Einträge gefunden, die Erfolg versprechend aussahen, und übers Wochenende hatte er beide Nummern immer wieder angerufen, doch er hatte niemanden erreicht. Heute Morgen hatte sich dann unter dem einen Anschluss jemand gemeldet. Die Frau hatte indisch geklungen und geschworen, sie kenne niemanden mit Namen Nigel Trevelyan.
Nachdem er allen Hinweisen auf Chloe Yarwoods Verbleib ohne Erfolg nachgegangen war, und nachdem ihr Vater, den er endlich doch noch in seinem Büro erreicht hatte, in einer Ausschusssitzung steckte, hatte Cullen beschlossen, selbst zu der zweiten Adresse zu fahren.
Außerdem hatte er noch etwas zu erledigen – eine persönliche Sache -, und so kam es ihm gelegen, dass sein Weg ihn von seiner Wohnung in Euston nach Westen und nicht nach Süden in Richtung Southwark führte. Im morgendlichen Berufsverkehr dauerte die Fahrt zur Kensington High Street eine halbe Stunde, und je näher er seinem Ziel kam, desto mehr widerstrebte es ihm, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Aber wenn er jetzt einen Rückzieher machte, würde er vielleicht nie wieder den Mut dazu aufbringen – das war ihm klar, und so gab er sich einen Ruck und fuhr weiter. Nachdem er hinter der St. Mary’s Church einen Parkplatz gefunden hatte, ging er mit raschen Schritten in Richtung High Street.
Es war früh am Morgen, und die Geschäfte waren noch geschlossen, doch als er durch das Schaufenster des Einrichtungshauses spähte, erkannte ihn die Verkäuferin und sperrte ihm lächelnd die Tür auf.
»Doug! Was machen Sie denn hier?«
»Ich möchte zu Stella«, sagte er und spürte, wie sein Mund trocken wurde. »Ist sie schon da?«
»Sie ist hinten im Lager. Gehen Sie nur durch.«
Er ging vorbei an den Regalen mit edler Bettwäsche, an den
Trockenblumensträußen, an Lampenschirmen mit Fransen aus Seide, an Vasen, Spiegeln und Gartengeräten – er fragte sich, was die hier wohl verloren hatten -, und anderen Dingen, von denen er noch nicht einmal den Namen kannte. Wie immer, wenn er dieses Geschäft betrat, kam er sich vor wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen.
Aus dem Lager wehte ihm das Aroma von Duftsträußchen entgegen, und er blieb einen Moment lang in der Tür stehen, um den plötzlichen Niesreiz zu unterdrücken.
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