Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
der Frau nichts als den Vornamen und eine Handynummer, und er hatte ihr seine Tochter anvertraut.
Herrgott, was hatte er sich bloß dabei gedacht? Der Schweiß brannte in seinen Achselhöhlen, sein Hemd war klatschnass und klebte an seinem Rücken, und seine Knie fühlten sich an, als wollten sie jeden Moment den Dienst verweigern. Er ließ sich auf den großen Koffer sinken und rieb sich mit der freien Hand das Gesicht. Menschen eilten an ihm vorüber mit Koffern in der Hand und Aktentaschen unter dem Arm, als wäre die Welt nicht vor wenigen Augenblicken stehen geblieben. Ein hübsches Mädchen verlangsamte den Schritt, lächelte ihn zaghaft an – dann wandte sie sich abrupt ab und eilte weiter, als hätte sie etwas in seinem Gesicht gesehen, was sie erschreckt hatte. Er war heilfroh, dass er sie los war.
Sie waren schon immer sein Verderben gewesen – Mädchen, Frauen; sie umschwärmten ihn wie Motten das Licht, und seinen besten Absichten zum Trotz hatte er ganz einfach nie Nein sagen können. Diese kleine Schwäche hatte seine Ehe mit Laura zerstört, so wie jede Beziehung, die er seit seiner Schulzeit eingegangen war.
Und so hatte er auch Beth kennen gelernt, in der Bar des George Inn in der Borough High Street, nicht weit von seiner Wohnung. Sie, eine attraktive Frau, ganz offensichtlich auf der Suche nach Anschluss – und er, noch traumatisiert von der Trennung, eine leichte Beute. Sie hatte ihn angequatscht, und er hatte keinen Grund gesehen, sie abzuweisen. An diesem Abend hatte er sie mit in seine Wohnung genommen, überrascht, aber auch fasziniert von ihrer leidenschaftlichen Wildheit.
Später, als sie nackt in seinem Bett gelegen hatte, da hatte sie ihm erzählt, sie sei verheiratet; ihr Mann sei Handlungsreisender und sehr eifersüchtig. Sie hatte gesagt, sie würde wieder zu ihm kommen, wenn er es wollte, und er hatte es gewollt. Es half, die leeren Stunden auszufüllen, es betäubte seine Sinne, und es war ihm nur recht, dass sie verheiratet und damit für mehr als ihre regelmäßigen Rendezvous gar nicht zu haben war.
Nach einiger Zeit jedoch hatte sich eine Veränderung abgezeichnet. Er hätte es sich denken können – schließlich hatte er es noch nie erlebt, dass irgendeine Frau auf Dauer mit purem Sex zufrieden gewesen wäre. Er hatte die Zeichen frühzeitig erkannt – leise Andeutungen, dass sie mit ihrer Ehe unzufrieden war, dass mit ihm alles ganz anders sein könnte – und hatte angefangen, sich Gedanken darüber zu machen, wie er die Affäre am besten beenden könnte.
Dann war sein Streit mit Laura eskaliert, und das hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Überhastet hatte er sich seinen Plan zurechtgelegt, und dann war ihm plötzlich eingefallen, dass er jemanden brauchen würde, der auf Harriet aufpasste, während er ihre Papiere aus Lauras Wohnung holte und seine Ersparnisse von der Bank abhob – und es war ihm nur logisch erschienen, sich an Beth zu wenden.
Erst jetzt erinnerte er sich wieder an den merkwürdigen Ausdruck in ihrem Gesicht, als er ihr gesagt hatte, was er vorhatte; aber dann hatte sie gelächelt und gesagt, dass sie ihm selbstverständlich gerne helfen würde, und in seiner Eile und seiner Erleichterung hatte er rasch alle Zweifel und Bedenken beiseite geschoben.
Aus dem Lautsprecher tönte eine unverständliche Durchsage – irgendein Zug, der von Gleis sowieso irgendwohin abfuhr. Das dröhnende Geräusch verursachte ihm Kopfschmerzen. Wieder rieb er sich das Gesicht, versuchte, seine Gedanken zu sortieren und die Erinnerung an die verstreuten Informationen
hervorzukramen, die Beth ihm während ihres Bettgeflüsters nach dem Sex anvertraut hatte.
Sie arbeitete in einer Maklerfirma in Southwark, so viel hatte sie ihm immerhin verraten. Sie war in Südafrika aufgewachsen, als Tochter eines Missionarsehepaares, und erst mit fast zwanzig nach London gekommen. Sie war schon einmal verheiratet gewesen, doch die Ehe war gescheitert.
Damit konnte er nun wirklich sehr viel anfangen. Was wollte er denn tun – etwa jeden einzelnen Immobilienmakler in Southwark anrufen in der Hoffnung, sie ausfindig zu machen? Da hätte er ebenso gut die Auskunft anrufen und nach der Nummer von Beth fragen können. Das war der reine Wahnsinn.
Heilige Mutter Gottes, wie hatte er nur so dumm sein können? Er stand wieder auf und blickte irr umher, als ob das Gesicht seiner Tochter jeden Moment in der Menge auftauchen könnte.
Hatte Beth Harriet zur Polizei gebracht? Aber dann
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