Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
»Später« ließ auf sich warten. Beim Appell informierte MacCauley sie, dass die Herren von der Brandermittlung sich für neunzehn Uhr angekündigt hätten und im Unterrichtsraum mit der gesamten Wache eine Einsatzbesprechung durchführen würden. Und so gingen sie nach dem Appell zunächst auseinander, um sich mit der routinemäßigen Wartung der Fahrzeuge und Geräte zu beschäftigen.
Wilcox hatte sich mit MacCauley in sein Büro zurückgezogen, und da sie in der Küche so weit fertig war, erbot Rose sich, für ein Mitglied der Drehleiterbesatzung einzuspringen, die zu einem Bürogebäude in der Nähe gerufen worden war. Jemand war mit dem Aufzug stecken geblieben. Als sie wieder zurück waren, lief sie rasch in die Küche, um das Essen in den Ofen zu schieben, doch inzwischen hatte sich der Rest des Zugs schon im Unterrichtsraum versammelt. Da sie die letzte Chance, noch mit Wilcox zu sprechen, verpasst hatte, verzog Rose sich in die hinterste Stuhlreihe. Die nervöse Anspannung, die sich durch den Rettungseinsatz vorübergehend gelegt hatte, erfasste sie jetzt umso heftiger.
Als sie sich im Saal umblickte, fiel ihr auf, wie selten sie alle in einem Raum zusammenkamen; normalerweise war das nur bei den wenigen Gelegenheiten der Fall, wenn beide Gruppen es einmal schafften, sich gleichzeitig zum Essen einzufinden. Es war eine gute Truppe, die beste, die sie je gehabt hatte, was zum Teil am Charakter der Leute lag, zum Teil aber auch an Charlie Wilcox, der jeglichen Mobbingversuch in seinem Team schon im Ansatz strengstens unterband. Gerüchte über Wilcox’ mögliche Beförderung zum Brandoberinspektor wurden mit erschreckender Regelmäßigkeit laut. Was für die Feuerwehrverwaltung ein Gewinn sein mochte, wäre mit Sicherheit ein Verlust für die Wache Southwark.
Ihr Gruppenführer Seamus MacCauley, mit vierundfünfzig das älteste Mitglied der Wache, stand kurz vor der Pensionierung, und Rose vermutete, dass er sich nie aktiv um eine Beförderung bemüht hatte. Aus dem Nordosten Englands, wenngleich mit einem schottisch-irischen Namen, war er ein guter und geduldiger Lehrer und zudem ein geborener Vermittler, der mit seiner unkomplizierten und gelassenen Art dazu beitrug, Konflikte auf ein Minimum zu reduzieren.
Als hätte er gespürt, dass ihr Blick auf ihm ruhte, wandte er sich um und lächelte ihr von seinem Platz nahe der Tür zu. »Na, bereit für die Inquisition, Blümchen? Das sind schon fiese Hunde, diese Typen«, fügte er augenzwinkernd hinzu.
»Na, solange sie mich nicht vom Essen abhalten«, meinte Simon Forney, der in der Reihe vor ihr saß. Simon und der Mann neben ihm, Steven Winston, waren zwar in Wirklichkeit keine Brüder, doch waren sie wegen ihrer verblüffenden Ähnlichkeit allgemein als »Kastor und Pollux« bekannt. Beide waren untersetzt, mit rundem Schädel und breiter Brust, und beide waren stolz auf ihre Körperkraft – Rose hatten sie erst allmählich zu akzeptieren begonnen, nachdem sie bewiesen hatte, dass sie ebenso gut eine Axt schwingen und einen Schlauch schleppen konnte wie ihre männlichen Kollegen.
Das Stimmengewirr im Saal legte sich, als Wilcox mit den Brandermittlern eintrat. Er stellte zuerst Brandmeister Farrell und Unterbrandmeister Martinelli vor, anschließend die drei Kriminalbeamten, die Rose schon am Morgen kennen gelernt hatte. Kincaid, der Superintendent, fing Roses Blick auf und nickte ihr zur Begrüßung zu.
Rose hatte Martinelli am Morgen gar nicht richtig wahrgenommen – wenn sie einmal in seine Richtung geschaut hatte, dann hatte der Hund an seiner Seite ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen -, doch nun fiel ihr auf, dass er jünger war, als sie ihn eingeschätzt hatte – vielleicht erst Anfang dreißig. Seine italienische Herkunft zeigte sich in seinem dunklen, lockigen Haar, doch die schrägen Wangenknochen und die Augenform deuteten auf einen anderen ethnischen Einschlag hin – asiatisch oder vielleicht polynesisch. Er lächelte ihr freundlich zu, und sie wandte sich verschämt ab, als ob sie sich beim Gaffen ertappt fühlte.
»Wir wollen die Sache ganz formlos halten«, kündigte Farrell an, indem er sich auf den Tisch an der Stirnseite des Saales schwang. Die anderen standen ein wenig unbeholfen umher, bis Kincaid die Initiative ergriff und Stühle aus der unbesetzten ersten Reihe umzudrehen begann, damit sie sich alle mit Blick zur Gruppe hinsetzen konnten. »Sie werden alle noch einzeln aussagen müssen, für die gerichtliche
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